Die Natur als Vorbild
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Grundlagen zum Thema Die Natur als Vorbild
Dass Schmetterlinge schöne Tiere sind, ist allgemein bekannt. Weniger jedoch die Tatsache, dass wir Menschen uns von ihrem Körperaufbau oder ihrem Flugverhalten eine Menge nützlicher Dinge abschauen können. Das erfahren wir in den Labors der britischen Eliteuniversitäten Oxford und Cambridge.
Transkript Die Natur als Vorbild
Die Flügelschuppen eines Blauen Morpho, einer der schillerndsten Schmetterlinge die es gibt. Was können Wissenschaftler und Ingenieure von diesem Farbphänomen abschauen, um es für die Menschheit zu nutzen? Oder welche Erkenntnisse kann man aus der Analyse von Seidenraupen und der von ihnen produzierten Seide ziehen? Und was kann man vom Flugverhalten von Motten und Schmetterlingen lernen? Menschen, die sich mit solchen Fragen beschäftigen, heißen Bioniker. Es ist die Kombination von Biologie und Technik, die zu dieser Wortkreation führt. Und diese Kombination ist es, die auch neue Entwicklungen in der Technik, der Medizin oder im Design ermöglicht. Wenn es um die bionische Analyse von Nachtfaltern und Schmetterlingen geht, gehört Großbritannien zu den führenden Ländern. Einer der wichtigsten Forschungsstandorte ist Oxford. Die altehrwürdigen Colleges und der Ruf, zu den besten Universitäten der Welt zu zählen, zieht viele internationale Forscher nach Oxford. Einer von ihnen ist Professor Fritz Vollrath, der an der Universität die “Silk Group”, die Seidengruppe, gegründet hat. Vollrath leitet ein Team von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen. Das Ziel unserer Gruppe ist es, herauszufinden, wie Seide funktioniert und wie die Seidenraupe das Material so effizient und effektiv herstellt. In der Natur wird Seide von verschiedenen Tieren hergestellt. Die bekanntesten sind Spinnen und Falter. Die Spinnen bauen Netze, Sicherungsfäden und auch Kokons aus Seide. Die Raupen von Schmetterlingen und Nachtfaltern bauen ebenfalls Kokons. Weil man aus Kokonfäden des Seidenspinners Seide gewinnen kann, werden seit etwa 5000 Jahren Seidenraupen von Menschen gezüchtet. Diese Seidenraupe ist kurz davor, ihren schützenden Kokon für die Verpuppung zu spinnen. So weit kommt diese Raupe allerdings nicht. Laboringenieur Björn Greving zieht einen etwa zwei Kilometer langen Faden aus dem Tier, um die Seide zu analysieren. Die Seide wird in den Spinndrüsen der Raupe produziert und tritt am Kopf durch die Spinnwarze aus. Sobald die eiweißhaltige Flüssigkeit mit Luft in Berührung kommt, verhärtet sie zu einem Faden. Der Blick in das Innere der hauchdünnen Seidenfäden kommt mithilfe eines Elektronenmikroskops zustande. Damit können die Wissenschaftler aus Oxford die Zusammensetzung der Seide im Nanobereich erkunden. Und genau auf dieser Nanoebene liegt das Geheimnis der hohen Belastbarkeit von Seidenfäden. Seide ist ein interessantes Material, denn es ist gerade im Nanobereich, also auf seiner kleinsten Ebene, aus sehr verschiedenen Bausteinen zusammengesetzt. Da gibt es feste, kristallförmige Bausteine und weiche Komponenten. Die harten Bausteine geben der Seide die Festigkeit und die weichen Teile geben ihr die Elastizität. Gemeinsam ergeben sie die Widerstandsfähigkeit des Materials. Durch seinen Molekülmix hat Seide sogar eine höhere Widerstandsfähigkeit als Seile aus Stahl und ist immer noch flexibler als viele moderne Kunststoffe. Cambridge ist in England der große Rivale von Oxford. Die Universität ist über 800 Jahre alt und hat weltweit die meisten Nobelpreisträger aus ihren Reihen hervorgebracht. Im Physikalischen Institut laufen seit einigen Jahren bionische Forschungen mit Schmetterlingen. Besonders ein tropischer Schmetterling hat es dem Forscherteam angetan. Die Wissenschaftler interessieren sich dabei vor allem um die Erzeugung der Farbe, in diesem Falle der schillernden, sich verändernden Farben des Blauen Morpho. Das interessante an diesen strukturellen Farben mancher Schmetterlinge ist, dass das Material selbst gar keine Farbe hat und völlig transparent ist. Die Forscher spielen an einem Modell durch, wie die Farberscheinungen zustande kommen. Entscheidend ist die Anordnung der Materialien in Multilagen, in denen sich das Licht unterschiedlich bricht. Legt man ein kleines Stück Schmetterlingsflügel unter das hochauflösende Elektronenmikroskop, wird deutlich, was farblose Multilagen sind. Der Physiker Mike Scherer entdeckt so die Strukturen, die in Verbindung mit Licht für die schillernden Farbeffekte des Morphofalters verantwortlich sind. Man muss sich dieses Gerüst aus Chitin wie ein Bauwerk verschiedenster transparenter Röhrchen vorstellen. In ihnen bricht und fängt sich das Licht und je nach Lichteinfall ergibt es verschiedene Farben, die in einem Elektronenmikroskop allerdings nicht darstellbar sind. Die Wissenschaftler in Cambridge bauen den Effekt struktureller Farben mit einer durchsichtigen Polymerflüssigkeit nach. In einer Zentrifuge wird eine Metallplatte mit dem Polymer beschichtet. Je nach Stärke und Betrachtungswinkel der aufgetragenen Kunststoffschicht variiert die Farbe. Auch hier geschieht das nicht durch Farbpigmente, sondern wie beim Morpho-Schmetterling durch die Wechselwirkung von Struktur und Licht. Zurück in Oxford. Am Institut für Zoologie erforscht eine Gruppe von Wissenschaftlern das Flugverhalten von verschiedenen Insekten. Dr. Richard Bomphrey hat gerade Nachtfalter des Tabakschwärmers im Flugversuch. Mit einer High-Speed-Kamera wird jede Bewegung des Tieres aufgezeichnet und im Anschluss, dass spezielle Flugverhalten des Nachtfalters analysiert. Okay, hier ist eine schöne Sequenz. Es beginnt mit einem Flug nach unten, wo der Falter versucht langsamer zu werden und zu landen. Die Flügel klappen dabei fast zusammen. Und dann sieht er zu, dass er wieder nach oben fliegt. Und am Ende dreht er dann nach links ab. Solche Diagramme entstehen, wenn die Forscher die Flugbahnen der Falter in den Computer übertragen. Desweiteren analysiert er die Flügelschlagfrequenzen der Insekten. Was genau möchte Richard Bomphrey vom Tabakschwärmer und den anderen kleinen Fliegern lernen? Ich erforsche das Flugverhalten verschiedener Insekten. Wie schnell sie fliegen, wie knapp sie wenden oder wie schnell sie beschleunigen können. Und ich erforsche die aerodynamischen Mechanismen, die das ermöglichen. Die aerodynamischen Mechanismen eines Nachtfalterfluges beobachten Richard Bomphrey und sein Team am exaktesten in einem Windkanal. Dr. Per Henningson bereitet dafür einen Tabakschwärmer auf seinen Einsatz im Windkanal vor. Für die Videoaufzeichnungen im Windkanal wird der Falter mit dem Brustkorb an ein Gestell fixiert. Nur wenn das Tier sozusagen auf der Stelle fliegt, können die Forscher das Zusammenspiel der Flügelanatomie mit dem Strömungsverhalten der Luft genauer untersuchen. Um den Versuch exakt durchzuführen und aufzeichnen zu können, werden Laserstrahlen auf das Tier gerichtet. Das Team in Oxford betreibt momentan noch eine vergleichende Forschung. Sie analysieren das sehr unterschiedliche Flugverhalten der Insekten. Von der Stubenfliege über die Falter bis hin zu Heuschrecken und Libellen. Wir können durch unsere Beobachtungen erkennen, dass jedes Tier ganz spezifische Aufgaben und Fähigkeiten hat. So kann eine Hummel größere Lasten heben, eine Heuschrecke dagegen lange Strecken, sogar durch Wüsten, zurücklegen. Und durch diese Beobachtungen wird es uns möglich sein, Miniflugkörper mit jeweils ganz speziellen Eigenschaften zu entwickeln. Noch sind die Bioniker in England am Anfang, wenn es um die Umsetzung ihrer Beobachtungen in konkrete Anwendungen und Produkte geht. Wenn man aber sieht, welche Vielfalt die Welt der Falter bietet, ahnt man, was für ein großes Reservoir technischer Lösungen auf die Bioniker wartet. Sie müssen nur genau hinschauen, welche ausgeklügelten Modelle die Natur in Milliarden von Jahren entwickelt hat.
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