Naturalismus – das Drama
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Grundlagen zum Thema Naturalismus – das Drama
Aus Filmen kennt man das: Eine möglichst genaue Darstellung der Wirklichkeit. Die Schauspieler spielen richtige Figuren, wie man sie aus dem Leben kennt. Doch kann das auch auf der Bühne funktionieren? Ende des 19. Jahrhunderts war die klare Meinung von Autoren und Theatermachern: Ja. Sie begründeten das Drama des Naturalismus. Die Wirklichkeit sollte dargestellt werden und zwar so, wie sie ist, mit allem Unperfekten und Dreckigen. Wie das bewerkstelligt wurde und welche Stücke man dazu zählen kann, was die Merkmale sind und einiges mehr, gibt es in diesem Video zu sehen. Viel Spaß beim Anschauen und viel Erfolg beim Lernen.
Transkript Naturalismus – das Drama
In der Epoche des Naturalismus, Ende des 19. Jahrhunderts, entwickelt Stanislavski eine neue Schauspieltechnik. Sie ist darauf angelegt, dass sich die Schauspieler in die Figur einfühlen können. Damit sollen sie möglichst wahrheitsgetreue Menschen auf der Bühne darstellen können. Einher damit geht eine neue Art, Dramen zu schreiben.
Abbildung der Wirklichkeit
Autoren wie Gerhard Hauptmann, Anton Tschechow oder Henrik Ibsen porträtieren in ihren Werken Bildungsbürger, Arbeiter und Diener, immer versucht, die Wirklichkeit genau abzubilden. Doch was genau ist das Besondere am Drama des Naturalismus? Wir werden dieser Frage etwas genauer nachgehen.
Eine neue Arbeiterklasse entsteht
Versuchten Stücke bis ins 19. Jahrhundert hinein noch eine Fabel, also eine lehrreiche Geschichte, zu erzählen, mit Sagengestalten, fantastischen Wesen oder gar mitwirkenden Göttern, so wendet sich das Blatt nun. Der Beginn der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts hat eine neue Arbeiterklasse und damit einhergehend neue Probleme geschaffen.
Autoren wie Hauptmann entscheiden für sich, dass Theater wie bisher nicht nur an dieser Lebenswirklichkeit vorbei geht, sondern sie ganz außen vor lässt. Sie entscheiden sich, das Leben so wirklich, wie nur irgend möglich abzubilden. Dies schließt ein, dass die Ständeklausel aufgehoben und auch über die ärmlichen Verhältnisse berichtet wird. Milieustudien entstehen, sehr genaue Zeichnungen einer Lebenswelt. Dazu gehören natürlich auch Dialekte und die Umgangssprache.
Das Sozialdrama von Gerhard Hauptmann
In Gerhard Hauptmanns “Die Weber” von 1892 zeigt sich all das. Es wird vom tatsächlichen Weberaufstand 1840 in Schlesien erzählt. Die Hauptfiguren sind die Weber, die sich in Dialekt unterhalten und besseren Lohn fordern. Bei “Die Weber” handelt es sich um ein sogenanntes Sozialdrama.
Die Protagonisten können nicht ausbrechen, da ihr sozialer Stand, ihr Milieu, ihr Schicksal darstellen. Es gibt keinen romantischen Ausbruch aus dieser Situation und das wird gezeigt. Viele naturalistische Dramen handeln von eben solchen Menschen, von Haushälterinnen, Arbeitern und Ausgeschlossenen aus der Gesellschaft.
Das analytische Drama
Eine andere Art des naturalistischen Dramas ist das sogenannte analytische Drama. Hierbei liegt der Fokus nicht auf der sozialen Schicht und ihren Problemen, sondern es handelt sich viel mehr um ein “Aufdeckungsdrama”. Viele Dramen des norwegischen Autors Henrik Ibsen kann man zu dieser Gattung zählen.
In “Nora oder ein Puppenheim” von 1879 hat sich die Hauptfigur Nora vor Jahren Geld geliehen und dafür eine Unterschrift gefälscht. Diese Tat wird im Laufe des Dramas aufgedeckt und bestimmt die Handlung. Der Ursprung der Handlung liegt also in der Vergangenheit und ist das Hauptthema. Stück für Stück werden immer mehr Details bekannt und begründen dann den Untergang der Hauptfiguren. Auf diese Art und Weise funktionieren fast alle analytischen Dramen des Naturalismus.
Zeit, Handlung und Raum
Darüber hinaus gelten im naturalistischen Drama oft die Regeln der Einheit von Zeit, Handlung und Raum. Der Ort ist auf Grund eines realistischen und aufwändigen Bühnenbildes meist einer im gesamten Drama. In Hauptmanns “Die Ratten” ist es ein Dachboden, bei “Nora” das Wohnzimmer der Familie.
Auch wird häufig auf viele Nebenhandlungen verzichtet, um eine besondere Handlung hervorzuheben. Ebenso sieht es mit der Zeit aus: Es werden keine großen Zeitspannen beschrieben oder Zeitsprünge verwendet, um das Elend darzustellen oder die Handlung aufzudecken. Damit ist ein klarer Rückgriff auf die Antike gegeben.
Unterschiede des naturalistischen Dramas zur Antike
Doch in vielen Punkten unterscheidet sich das Drama des Naturalismus auch von dem der Antike. Lange Monologe oder gar ein “Beiseitesprechen”, sodass nur das Publikum mithören kann, was die Figur denkt oder sagt, werden abgelehnt. Es sei eben nicht natürlich und passiert im wahren Leben nicht, so die Begründung. Aus dem selben Grund gibt es auch keine Vers- oder Kunstsprache, sondern - wie schon erwähnt - eine Umgangssprache oder Sprache bestimmter Schichten, Soziolekt genannt.
Was heute als verstaubt anmutet, war damals eine ungeheure Neuerung. Der Versuch, die Wirklichkeit eins zu eins abzubilden, soziale Konflikte der Zeit sichtbar zu machen - und das mit möglichst hoher Präzision und ohne Auslassungen, all das war revolutionär. Heute werden solche Dramen in Deutschland kaum noch geschrieben.
Auswirkungen bis in die Gegenwart
In England hat sich das Sozialdrama dahingegen stark gehalten. Die wohl größte Auswirkung hat das Drama des Naturalismus jedoch vermutlich auf den Film als Medium gehabt, vor allem in Hollywood. Hier zählen die Regeln und Gepflogenheiten des möglichst realistischen Abbilds einer Wirklichkeit noch immer.
Naturalismus – das Drama Übung
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Definiere den Begriff des naturalistischen Dramas.
TippsTypische Themen im naturalistischen Drama waren zum Beispiel Alkoholismus, Not und Elend oder Gewalt in der Familie.
LösungDie Naturalisten wollten in ihren Werken die Wirklichkeit darstellen und die sozialen Misstände aufdecken, die im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung auftraten. Sie brachten erstmals das Elend und die Armut der Arbeiter auf die Bühne und lösten sich von den Vorgaben des klassischen Dramas. Die Naturalisten verstanden den Menschen als durch Vererbung und Herkunft determiniert und so zeigten sie die Bereiche, in denen dies am deutlichsten zum Ausdruck kam. Themen waren unter anderem:
- Alkoholismus
- Not
- Elend
- Zerrüttung der Familien
- Gewalt (innerhalb von Familien)
- Geschlechtskrankheiten usw.
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Bestimme Unterschiede zwischen dem naturalistischen und dem klassischen Drama.
TippsWie veränderte sich die Lebenswirklichkeit zu der Zeit, als das naturalistische Drama entwickelt wurde? Was wurde wichtig?
LösungDie Entwicklung des naturalistischen Dramas fällt in die Zeit der Industrialisierung. Die Lebenswirklichkeit vieler Menschen veränderte sich. Eine neue Arbeiterklasse entstand, die aufgrund mangelnder sozialer Absicherungen in Armut und Elend lebte.
- Die Autoren des Naturalismus wollten die Arbeiter in den Fokus ihrer Betrachtungen nehmen. Ihre Themen waren von dieser neuen Lebenswirklichkeit geprägt und die Stücke handeln von Alkoholismus, Armut, Krankheit und Missständen innerhalb der Gesellschaft.
- Die Naturalisten wollten möglichst genau die Wirklichkeit beschreiben und nutzten dafür unter anderem die Sprache. Die Figuren sprechen in Mundart, Soziolekt und Dialekt auf der Bühne.
- Auch sahen die naturalistischen Autoren die Menschen als durch Vererbung und gesellschaftliche Umstände determiniert an. In den naturalistischen Dramen äußert sich das dadurch, dass die Protagonist*innen nicht aus ihrer Lebenswirklichkeit ausbrechen können. Das Elend, in dem sie sich befinden, wird zwar dargestellt, ein Ausbruch oder ein Ausweg aus der Situation wird allerdings nicht aufgezeigt.
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Analysiere anhand der Sprache, ob es sich um ein naturalistisches Drama handelt.
TippsDie Menschen in den naturalistischen Dramen sollten glaubwürdig dargestellt werden. In welchen Textbeispielen kommt das am ehesten zum Ausdruck?
LösungDie Autoren des Naturalismus wollten in ihren Werken die Wirklichkeit möglichst detailgetreu darstellen. Dies äußert sich im Drama auch anhand der Figurensprache, die dem jeweiligen sozialen Stand der Figur entspricht. Dies erkennt man besonders gut in den Textauszügen 1 und 3, in denen die Figuren Dialekt sprechen.
Die Textbeispiele 2 und 4 sind aus Schillers Stücken „Wilhelm Tell“ und „Wallenstein“ und gehören dem klassischen Drama an. An den beiden Textauszügen kann man erkennen, dass im klassischen Drama selbst einfache Leute, hier beispielsweise ein Fischer und ein Bauer, einen hohen Stil sprechen. Im Gegensatz zu den Dramen des Naturalismus kann man anhand der Sprache nicht unbedingt erkennen, welchem sozialen Stand die Figur angehört.
Das Textbeispiel 5 ist aus Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ und ist dem epischen Theater zuzuordnen. Durch die Sprache kann man durchaus ersehen, welchem sozialen Stand die Figur angehört. Deutlich wird dies beispielsweise bei Sun, ein Aufsteiger, der einfach und umgangssprachlich redet und die Dinge eher abwertet, so zum Beispiel nutzt er Ausdrücke wie „windige Dummköpfe“ und bezeichnet ein Flugzeug als „Kiste“. Trotz dieser eher umgangssprachlichen Redeweise ist ein deutlicher Unterschied zum naturalistischen Drama zu sehen, wo diese Entwicklung auf die Spitze getrieben wird.
Quellen:
- Text 1: Gerhart Hauptmann: Die Weber, 1892, S. 31. URL: http://www.germanistika.upol.cz/uploads/media/Hauptmann_Die_Weber.pdf [Zugriff am 06.10.2015]
- Text 2: Friedrich Schiller: Wilhelm Tell, 1804. URL: http://gutenberg.spiegel.de/buch/wilhelm-tell-3332/13 [Zugriff am 06.10.2015]
- Text 3: Gerhart Hauptmann: Die Weber, 1882, S. 11. URL: http://www.germanistika.upol.cz/uploads/media/Hauptmann_Die_Weber.pdf [Zugriff am 06.10.2015]
- Text 4: Friedrich Schiller: Wallenstein, 1799. URL: http://gutenberg.spiegel.de/buch/wallenstein-3306/3 [Zugriff am 06.10.2015]
- Text 5: Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan. In: Bertolt Brecht: Ausgewählte Werke. Band 2. Frankfurt am Main, 1997, S. 222.
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Erläutere die Rolle der Ständeklausel im naturalistischen Drama.
TippsWelche Merkmale hat das klassische Drama?
Was wollten die naturalistischen Autoren zeigen?
LösungDie Ständeklausel geht bis auf Aristoteles zurück und wurde im 18. Jahrhundert unter anderem von Johann Christian Gottsched aufgegriffen und angewendet. Demnach sollen hohe Standespersonen, zu denen beispielsweise Könige und Fürsten zählen, ausschließlich in Tragödien spielen. In Komödien hingegen sollen Bürgerliche die Hauptpersonen sein. Als Grund wurde angegeben, dass Bürgerliche nicht die nötige Größe und Bedeutung hätten, um die für Tragödien nötige Fallhöhe zu schaffen. In leichten und unterhaltsamen Komödien würden sich andererseits Personen von hohem Stand der Lächerlichkeit preisgeben.
Im Sturm und Drang wurde die Ständeklausel bereits durch Lessing mit dem bürgerlichen Trauerspiel aufgeweicht. Ganz abgeschafft wurde sie allerdings erst mit dem naturalistischen Drama und dem Darstellen des vierten Standes in ernsten Dramen auf der Bühne.
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Bestimme wichtige Autoren des Naturalismus.
TippsWelche Autoren haben zur Zeit des Naturalismus geschrieben?
LösungDie Autoren, die zu wichtigen Vertretern des Naturalismus gehören, sind:
- Gerhart Hauptmann, mit Werken wie Die Ratten (Uraufführung 1911) oder Die Weber (Uraufführung 1893)
- Henrik Ibsen, mit Werken wie Nora oder ein Puppenheim (Uraufführung 1879) oder Gespenster (Uraufführung 1882)
- Anton Tschechow mit Werken wie Onkel Wanja (Uraufführung 1899) oder Drei Schwestern (Uraufführung 1901)
- Konstantin Stanislawski mit den Werken Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst und Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle, die für viele Schauspieler bis heute wegweisend sind.
Per Olov Enquist (1934-2020) war ein schwedischer Autor, der unter anderem mit dem Buch Besuch des Leibarztes bekannt geworden ist.
Wladimir Sorokin ist ein 1955 geborener, russischer Schriftsteller, der als Vertreter der russischen Postmoderne gilt und zu den Oppositionellen in Russland gezählt wird.
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Erläutere die Formel von Arno Holz: Kunst = Natur - X.
TippsWas wollten die naturalistischen Autoren mit ihrer Dichtung erreichen und wie haben sie dies umgesetzt?
LösungArno Holz war einer der führenden Köpfe des Naturalismus und hat gemeinsam mit Johannes Schlaf Werke wie „Die Familie Selicke“ (1890) oder „Neue Gleise“(1892) verfasst. Er experimentierte mit neuen Stilformen wie beispielsweise dem Sekundenstil. Daneben schrieb er auch einige theoretische Schriften.
Arno Holz hat in seinem Werk „Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze“ aus dem Jahr 1891 das Wesen der naturalistischen Kunst auf folgende Formel gebracht: Kunst = Natur - X.
Die Gleichung stellt dar, dass die Kunst sich aus der Natur und dem Faktor X, also der Subjektivität des Künstlers zusammensetzt. In der naturalistischen Dichtung sollte dieser Faktor so klein wie möglich gehalten werden, um eine vermeintlich homogene Wirklichkeit scheinbar objektiv wiederzugeben.
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