„Die Leiden des jungen Werther“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Goethe)
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Grundlagen zum Thema „Die Leiden des jungen Werther“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Goethe)
Goethes Roman "Die Leiden des jungen Werther" wurde zum ersten Bestseller der deutschen Literatur. Wie ist das zu erklären? Dieses Video gibt einen Überblick über die Reaktionen von Goethes Zeitgenossen und erläutert, wie es Goethe gelang, den Nerv der Zeit zu treffen. Was hat der WERTHER mit Sturm und Drang zu tun? Und es wird beschrieben, was damals die sogenannte Werthermode war. Außerdem werden die verschiedenen Lesarten und Interpretationsansätze vorgestellt. Viel Spaß!
Transkript „Die Leiden des jungen Werther“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Goethe)
Goethes “Die Leiden des jungen Werthers” ist der erste Bestseller der deutschen Literatur. Ein Welterfolg, der in viele Sprachen übersetzt wurde. Damals ist das eine gewaltige Sensation gewesen.
Goethe selbst sagt in seiner Autobiografie “Dichtung und Wahrheit” dazu: „Die Wirkung dieses Büchleins war groß, ja ungeheuer, und vorzüglich deshalb, weil es genau in die rechte Zeit traf.“ Was war also der Nerv der Zeit, den Goethe so genau getroffen hat? Beginnen wir mit der Reaktion von Goethes Zeitgenossen.
Kirche, Zensur und Verbot
Der Briefroman löst sofort nach Erscheinen eine Kontroverse aus. Der Roman erregt die Leserschaft und teilt sie in extreme Befürworter und Gegner. In dieser sehr emotional geführten Debatte ist es unmöglich gewesen, neutral zu bleiben. Anstoß wird von Seiten der Kirche vor allem am Selbstmord Werthers genommen.
Aber auch das Streben eines jungen Mannes nach Selbstverwirklichung ist von konservativen Kreisen vehement abgelehnt worden. Die Zensur schaltet sich ein. In Sachsen, Österreich, Norwegen und Dänemark wird der Roman als sittenverderbend verboten. Das macht den Sensationserfolg natürlich erst vollkommen. Angeblich gibt es Nachahmer:Lebensmüde junge Männer folgen dem Beispiel Werthers und wählen den Freitod.
Begeisterung und Werther-Mode
Auf der Gegenseite löst Goethes Jugendroman eine wahre Werthermode aus. Christian Graf zu Stolberg schrieb 1775 an seine Schwester: “In Frankfurt haben wir uns alle Werthers Uniform machen lassen, einen blauen Rock mit gelber Weste und Hosen; dazu runde graue Hüte.”
Vor allem junge Leute haben sich vom jugendlichem Aufbegehren gegen die alten Normen und Moralvorstellungen angezogen gefühlt und sind von Goethes Roman begeistert.
Sogar Napoleon soll 1808 Goethe eingestanden haben, dass er den Werther sieben mal gelesen habe und ein Exemplar stets bei sich trage. Noch im 20. Jahrhundert hat Thomas Mann in seinem Roman “Lotte in Weimar” seine Faszination für Goethes Roman verarbeitet.
“Die Leiden des jungen Werthers” gilt als Schlüsselroman der Epoche des Sturm und Drang. Im Mittelpunkt steht das Problem der freien Entfaltung des Menschen. Goethes Text könnte man im Hinblick auf die Rebellion eines Mannes lesen.
Subjektive Rebellion
Das Subjekt in dem Fall Werther rebelliert. Zum ersten Mal in der Literaturgeschichte gibt ein Autor den Empfindungen eines jungen rebellischen Menschen Raum. In Werthers Person wird der Grundkonflikt zwischen Leidenschaft und gesellschaftlichen Konventionen dargestellt.
In seinen letzten Lebensjahren hat Goethe versucht, die Figur Werther zu entschärfen. Inzwischen ist er selbst in den Adelsstand erhoben worden. Er reduzierte seinen eigenen Roman auf einen individuellen Konflikt. “Ich hatte gelebt, geliebt und sehr viel gelitten. Das war es.”
Neben der Rebellion eines Mannes könnte man Werther auch als Krankengeschichte verstehen und in diesem Hinblick lesen.
Werther - eine Krankengeschichte
Schon Goethes Zeitgenossen deuteten den Briefroman als das Seelendrama eines Menschen voller Schwermut und Trübsal. Wissenschaftler, die die Psyche analysieren, haben diese Interpretation aufgegriffen.
Sie haben aus der Figur des Werthers einen jungen Mann mit einer ichbezogenen Störung gemacht. Auslöser könnte ein Defizit an mütterlicher Liebe sein. Als auch Lotte ihn zurückweist, treibt ihn sein grenzenloser Weltschmerz schließlich in den Selbstmord.
Nur eine bloße Liebesgeschichte?
Wird diese Lesart dem Text eigentlich gerecht? Krankheit, Rebellion sind Themen, aber kann man Goethes Werther nicht als bloße Liebesgeschichte lesen?.Hier offenbart sich ein weitere Möglichkeit: Ist Goethes Werther nur Abbild einer bloßen Liebesgeschichte?
Eigentlich ist der Briefroman “Die Leiden des jungen Werthers” eine der berühmtesten Liebesgeschichten der Welt. Werther leidet an Depressionen und dem Gefühl der Sinnlosigkeit. Erst als er sich in Lotte verliebt, gewinnt sein Leben an Kraft und Leidenschaft. Liebe ist die Sprache des Herzens. Werthers Rebellion entlädt sich in seiner ausweglosen Leidenschaft zur Lotte.
Zusammenfassung
Egal für welche Lesart du dich entscheidest, für die Figur des Werthers ist eine Welt ohne Liebe schlichtweg nicht vorstellbar. Seine unstillbare Sehnsucht nach dem reinen unbedingten Gefühl ist es, was Goethes Zeitgenossen bewegt hat. Der Roman hat in ganz Europa begeisterte Leser gefunden, weil Goethe das Grundgefühl einer Generation im Aufbruch in Worte zu fassen vermochte.
„Die Leiden des jungen Werther“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Goethe) Übung
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Beschreibe die Wirkung, die Goethes „Werther“ unter jungen Leuten hatte.
TippsWas ahmten Goethes Zeitgenossen nach? War es eine bestimmte Mode oder sogar ein Lebensstil?
LösungDer Roman „Die Leiden des jungen Werther“ wurde kontrovers rezipiert. Die Befürworter und Anhänger Goethes lobten die Protesthaltung und sensible Sentimentalität des Werther. Der Protagonist wurde zu einem Symbol für den Drang einer ganzen Generation nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung.
Und dieses Werther-Symbol war eindeutig beschrieben und löste eine Werther-Modewelle aus: Die Menschen kleideten sich wie Werther, in exakt derselben Farb- und Kleiderkombination. Alle Schichten lasen das Buch, auch im Ausland: Napoleon und auch Thomas Mann waren fasziniert. Allerdings fand auch der Freitod Werthers einige traurige Nachahmer. Die Kritik am Buch riss daher nicht ab.
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Fasse die verschiedenen Lesarten zusammen, die es vom Buch gibt.
TippsDrei unterschiedliche Schwerpunkte sind bei der Rezeption der Lektüre zu setzen: Die Geschichte des rebellischen, des kranken oder des leidenschaftlich verliebten Werthers.
LösungWie bei jedem Buch von Weltruhm gibt es auch beim „Werther“ sich überlagernde Interpretationen. Dabei können grob drei unterschiedliche Lesarten wahrgenommen werden:
- Werther als Rebell: Er führt einen Kampf, in dem er zwischen seinen Leidenschaften und den ihm auferlegten gesellschaftlichen Konventionen leben muss. Dieser Grundkonflikt zwischen Gruppeninteresse und individuellem Interesse wurde im „Werther“ durch das Scheitern des Individuums aufgelöst, das sich den Konventionen durch Freitod entzieht.
- Werther als kranker Mann: Die vielen hochemotionalen Briefe über sein Gefühlsleben verschaffen dem Leser Einblick in das Seelenleben eines Mannes, das aus dem Gleichgewicht geraten ist. Spätere psychologische Beobachtungen unterstellen dem Werther eine ichbezogene Störung, verursacht durch das Fehlen mütterlicher Liebe.
- Werther als Liebender: Die reine, unbedingte Liebe zu einer Frau, beinahe schon metaphysisch, hat den Zweck, Werthers Leben mit Sinn zu erfüllen; nur durch seine Leidenschaften ist das Leben lebenswert. Wird die Liebe zu stark und nicht erwidert, wird das Leben sinnlos.
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Bestimme mithilfe des folgenden Zitats, inwiefern Lessing den „Werther“ kritisierte.
TippsWelche Rolle spielt Lessings Werk im „Werther“. Welcher Generation gehörte Lessing an? Und welche Meinung nahm er deshalb ein?
LösungDie Kontroverse um den „Werther“ rief auch Lessing auf den Plan; er erfuhr durch einen Freund, dass Goethe Bezug auf sein Drama „Emilia Galotti“* nahm. Denn dies ist das Stück, das Werther kurz vor seinem Selbstmord las: Es lag offen auf seinem Schreibtisch.
Dass Goethe gerade diese Schrift Lessings gewählt hat, ist bezeichnend, thematisiert sie doch auch – aber mit unterschiedlicher Schlussfolgerung – Freitod und Selbstmord. Denn Emilia wünscht sich ebenso wie Werther den Tod; jedoch nicht aus emotionalen und leidenschaftlichen Gründen wie dieser, sondern um der Abhängigkeit eines Prinzen zu entkommen. Emilias Freitod steht damit symbolisch für das Aufbegehren des Bürgertums gegen den Adel: Das Bürgertum dürfe sich nicht alles gefallen lassen. Die bürgerliche Autonomie müsse zum Gesetz werden. Denn Emilia begreift ihren Ausgang aus dem Leben nicht als Möglichkeit, ihrem vom Prinzen ermordeten Ehemann zu folgen. „Emilia Galotti“ ist daher in gut aufklärerischer und moralischer Manier geschrieben. Weiterhin kommt Lessing gar nicht erst in Versuchung, das Tabu Freitod zu brechen: Nicht Emilia bringt sich selbst um, sondern ihr Vater tut es auf ihre Bitten hin. Damit fällt der Tod rein rechtlich nicht unter Selbstmord. Lessing belässt den Freitod weiterhin unter dem Bann des Unmoralischen und Sündhaften.
Goethe selbst handelt anders: Er stellt dem Freitod Werthers nicht – wie von Lessing gefordert – eine moralische Nachpredigt hinten an; er legitimiert praktisch einen Freitod aus leidenschaftlichen Motiven, was den damaligen Idealen von Pflichterfüllung und Religiosität gänzlich zuwider lief.
Quelle: Lessing, Gotthold Ephraim (2014): Werke und Briefe. Band 11/2. S. 667.
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Untersuche die folgende Kritik am „Werther“.
TippsWas kritisiert der Ausschnitt? Welcher Konflikt zeichnet sich ab? Was verteidigt der Autor, was verflucht er?
LösungDer „Werther“ entspann eine Kontroverse in vielerlei Hinsicht: Eine Generation revoltierte und sehnte sich nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Vielleicht kann die frei bestimmte Selbsttötung als Ausdruck dieser Sehnsucht gefasst werden?
Kirche und Staat nahmen Anstoß am Ende des Werther. Selbstmord war und ist eine große Sünde, denn sie verstößt gegen den Willen Gottes, der jedem Menschen das höchste Gut, nämlich das Leben, geschenkt hat. Der Autor der obigen Kritik hatte das Stück sehr wohl verstanden: Nur missbilligte er den Platz, den die Leidenschaften einnahmen. Er setzt Werther mit einem triebgesteuerten Insekt gleich, das den Selbstmord nur durch ruhiges Nachdenken hätte vermeiden können. Damit drückte er den Generationenkonflikt aus, der entlang der Gräben Vernunft versus Gefühl und Religion versus Sinnlichkeit verlief.
Quelle: Schlettwein, Johann August (1775): Des jungen Werthers Zuruf aus der Ewigkeit an die noch lebende Menschen auf der Erde. Carlsruhe: Maklott. S. 18–26.
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Gib wieder, wie Goethe selbst den großen Erfolg des Romans erklärte.
TippsDer Roman gab wenige moralische Lehren mit. Es war eher der Ausdruck einer Gruppe, deren Zeit gekommen war.
LösungGoethe selbst hätte niemals mit einem derart großen Erfolg seines Buches gerechnet: Der Kult um seinen Werther nahm Züge einer Religion an. Woher dieser große Erfolg?
Goethe selbst schrieb in seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“, dass er die rechte Zeit getroffen hätte. Hätte er in einer anderen Zeit geschrieben, wäre das Buch sang- und klanglos untergegangen. Doch die Menschen seiner Zeit, vor allem die junge Generation der Stürmer und Dränger, in der Goethe Mitglied war, protestierten gegen die allzu nüchterne und aufklärerische Manier ihrer Väter. Diese Generation im Aufbruch sah ihre eigenen Leiden in den Leiden des jungen Werther manifestiert.
Dabei rief der Roman weder zu Revolution auf, noch war er unhinterfragt: Der kontroverse Tabubruch, der in der Thematisierung des Freitods (Selbstmord) lag, rief die Zensur auf den Plan. Dass auch der Adel das Buch las, war aber wohl kein ausschlaggebender Grund für die große Verbreitung: Die heißesten Anhänger hatte Goethe unter Studenten und im einfachen Volk.
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Analysiere das folgende Zitat darauf, wie Werther als Identifikationsfigur fungierte.
TippsKönnte man die oben beschriebene Szene für eine religiöse Handlung halten? Wie stellt sich der Verfasser des obigen Ausschnitts zu dem Ereignis?
LösungDer Roman war derart erfolgreich, dass sich viele Nachahmer zusammenfanden: Außer einer Selbstmordwelle und einer Werther-Modewelle gab es auch verschiedene Werther-Kulte, die mit ihren eigenen Texten und Ritualen einer Sekte nicht unähnlich waren. Das verstand man als Gefahr.
Der „Werther“ basierte, wenn man so will, auf einer wahren Begebenheit: Der in Wetzlar wohnende Legationsrat Jerusalem hatte sich unglücklich in eine vergebene Frau verliebt und scheiterte an den gesellschaftlichen Konventionen, so dass er sich schließlich selbst tötete. Der Roman „Werther“ bewirkte, dass das Grab von Jerusalem über die Grenzen von Wetzlar hinaus Scharen von Werther-Anhängern anzog. Unter diesen Scharen waren alle Bevölkerungsschichten vertreten: Reiche wie Arme, Gebildete und Ungebildete.
Der Werther-Kult muss vielen Zeitgenossen sehr abstößig vorgekommen sein: Sie glaubten der gekünstelten Sentimentalität, der gespielten Trauer und den heuchlerischen Tränen nicht. Sie sahen die Gefahr der Nachahmung. In ironischer Weise kritisiert der obige Abschnitt den Kult. Beispielsweise „verstehe es sich“, dass nicht jeglicher Selbstmord gerechtfertigt sei, sondern nur der aus Liebe.
Quelle: Laukhard, Friedrich Christian (1792): Leben und Schicksale, von ihm selbst beschrieben, und zur Warnung für Eltern und studierende Jünglinge herausgegeben. Ein Beitrag zur Charakteristik der Universitäten in Deutschland. 1. Tl. Halle: Michaelis u. Bispink. S. 141–43.
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