Woyzeck (Büchner)
In seinem Drama kürte Georg Büchner zum ersten Mal einen Mann aus armen Kreisen zur Hauptfigur und warf die Frage nach sozialer Gerechtigkeit auf.
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- Kurze Zusammenfassung
- Inhaltsangabe
- Personenkonstellation
- Interpretation und Rezeption
- Die Entstehungszeit
- Die Entstehungsgeschichte
Kurze Zusammenfassung
Das Drama Woyzeck verfasste Georg Büchner vermutlich im Jahr 1836. Er hinterließ das Drama als sogenanntes Fragment. Aufgrund des frühen Todes von Büchner im Alter von 25 Jahren, wurde das Werk nicht fertiggestellt. Das Manuskript zu Woyzeck wurde 1879, also viele Jahre nach seinem Tod, veröffentlicht.
In dem Drama handelt es sich um Franz Woyzeck, der von seinem Vorgesetzten ausgenutzt, von einem Arzt misshandelt und von seiner Freundin betrogen wird. Im Laufe der Handlung wird sein Leben vom einfachen Soldaten zum eifersüchtigen Mörder beschrieben.
Inhaltsangabe
Was ist der Inhalt des Dramas „Woyzeck“ von Georg Büchner? Die bestimmende Frage des Dramas „Woyzeck“ lautet: Wie wird der Mensch zum Mörder? Die Hauptperson im Werk ist der etwas einfältige Soldat Franz Woyzeck, der in „wilder Ehe“ mit seiner Freundin Marie und seinem Sohn Christian lebt. Woyzeck leidet unter dem Machtgefälle der damaligen Zeit: Sein Vorgesetzter, der Hauptmann, nutzt ihn schamlos aus, demütigt und beleidigt ihn. So wird Woyzeck beispielsweise von ihm beschimpft, während er ihn rasiert. Woyzeck jedoch lässt sich keine Gefühlsregung anmerken und arbeitet ruhig weiter.
Während dieser Szene trifft seine Freundin Marie auf einen charmanten Tambourmajor, der gerade die Parade einer Militärkapelle anführt. Sie ist von seinen einflussreichen Aufgaben und seiner höheren sozialen Stellung als Tambourmajor – ein angesehener Trommler, der die starken Armeen ins Schlachtfeld führt – beeindruckt. Und auch Marie bleibt nicht unentdeckt. Bei dem Tambourmajor entsteht Interesse und er versucht sie mittels kleiner Geschenke für sich zu gewinnen. Marie verfällt letztendlich den Annäherungsversuchen des Tambourmajors und wird seine heimliche Geliebte.
Als Woyzeck eines Tages neue Ohrringe an Marie entdeckt, ein Geschenk des Tambourmajors, ahnt er deren heimliche Affäre. Er möchte seine Beziehung mit Marie nicht aufgeben und meint, sie mit Geld zurückerobern zu können. Dieser Gedanke treibt Woyzeck zu einem unmoralischen Arzt, welcher skrupellose Experimente an ihm durchführt. Er wird unter anderem auf eine strenge Diät gesetzt; er darf sich nur noch von Erbsen ernähren. Leider erhält Woyzeck für die mentalen und körperlichen Unannehmlichkeiten nur einen sehr geringen Lohn, mit welchem Marie nicht zurückzugewinnen ist. In der Öffentlichkeit wird Woyzeck sowohl von dem Hauptmann als auch vom erbarmungslosen Arzt immer wieder zur Schau gestellt und blamiert. Selbst seine Mitmenschen beginnen nun, sich über ihn lustig zu machen. Woyzecks Selbstbeherrschung wird auf eine harte Probe gestellt.
Schließlich deckt Woyzeck die Affäre seiner Frau auf. Er erwischt die beiden bei einem ausgelassenen Tanz im Wirtshaus. Woyzeck weiß nicht weiter. Er hat das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Deshalb sucht er Hilfe bei seinem Freund Andres. Leider möchte dieser nur schlafen und unterstützt ihn nicht. Die Stimmen in Woyzecks Kopf werden immer lauter. Sie befehlen ihm Marie zu töten. In Gedanken versunken treffen Woyzeck und der Tambourmajor aufeinander und geraten in eine heftige Auseinandersetzung. Aufgrund der vielen Entbehrungen und den Nebenwirkungen der Experimente verliert Woyzeck den Kampf.
Voller Verzweiflung und verletztem Stolz gibt er den Stimmen in seinem Kopf nach. Woyzeck lockt Marie in ein Waldstück mit dem Vorsatz, sie zu töten. Im Blutrausch versunken, rammt er ihr ein Messer in den Leib. Nach vollendeter Tat versenkt er das Messer im See. Die Leiche von Marie wird im Wald gefunden und untersucht. So endet das Stück.
Personenkonstellation
Welche Personen kommen in dem Drama „Woyzeck“ vor?
Franz Woyzeck, der Protagonist des gleichnamigen Dramas, ist ein ca. 40-jähriger einfacher Soldat niedriger Herkunft. Er ist von Anfang an sozial benachteiligt, wird von seiner Freundin Marie betrogen und hintergangen, und gerät mit machtvollen Personen in Konflikt.
Der Hauptmann gilt als dümmlich und selbstgerecht. Er beruft sich ausschließlich auf seinen sozialen Stand und seine Dienststellung als Woyzecks Vorgesetzter.
Der Arzt missbraucht seine vertrauenswürdige Stellung, um unmoralische Experimente an Menschen durchzuführen. Deshalb liegt ihm eine menschenverachtende Eigenschaft zugrunde.
Der Tambourmajor ist Woyzeck auf sozialer Ebene höher gestellt und übt durch das Umwerben seiner Freundin mit Geld Macht aus. Er ist der überlegene Rivale Woyzecks und materiell besser gestellt. Seine Person gilt als oberflächlich und triebhaft. Er kann Marie schlussendlich erfolgreich für sich gewinnen, was auf das Fehlen jeglichen sozialen Gefühls schließen lässt.
Marie Zickwolf wird als erotische und sinnliche Frau dargestellt. Sie lässt sich durch materielle Güter zum Fremdgehen verführen. Aufgrund ihrer käuflichen Liebe wird sie von einem schlechten Gewissen geplagt, was darauf hindeutet, dass sie eine schuldbewusste Person ist. Dennoch lässt sie sich von ihren Trieben steuern und führt ihre Affäre mit dem Tambourmajor fort. Schließlich wird sie zu Woyzecks Opfer.
Andres ist Woyzecks Freund. Er ist ebenfalls Soldat und fügt sich allen Befehlen. Er bringt wenig Verständnis für Woyzecks Situation auf und unterstützt ihn nicht. Unter Berücksichtigung dieser Charakterzüge gilt er als rationales Spiegelbild Woyzecks.
Die Personen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Auf der einen Seite stehen die in dem Stück namenlosen und austauschbaren Machtpersonen wie der Hauptmann, der Arzt und der Richter. Auf der anderen Seite stehen die Machtlosen. Darunter fällt die große Masse der Menschen, die befehlsausführenden Soldaten sowie Woyzeck und seine Familie.
Insgesamt zeigt die Personenkonstellation des Dramas Woyzeck, dass es sich um soziale Ungerechtigkeiten, starre Hierarchien und Materialismus handelt, denen der Protagonist Woyzeck nichts entgegenzusetzen hat.
Interpretation und Rezeption
Interpretationsansatz
Wie kann man Büchners Drama „Woyzeck“ interpretieren? Die Kernbegriffe dieses Stückes sind die Entsozialisierung und die soziale Bestimmung.
Definition Entsozialisierung: Die Entfernung des Menschen aus seiner Gesellschaft bzw. aus seinem Umfeld.
Definition soziale Bestimmung: Der Zustand, in welchem Menschen durch ihre Umwelt und soziale Herkunft in ihren Denk- und Verhaltensweisen festgelegt werden.
Woyzeck ist entsozialisiert, da sämtliche seiner Beziehungen zu Bruch gehen und er keine gelungenen sozialen Kontakte hat. Er lebt in gesellschaftlicher Isolation und wird durch diese Entfremdung psychisch krank. Auch seine soziale Bestimmung gestaltet sich schwierig: Immer wieder wird er durch Mächtige unterdrückt, beruflich sowie privat. Seine heile Welt mit Frau und Kind wird durch den Tambourmajor zerstört. Marie, seine Geliebte, Vertraute und Gefährtin begeht durch die Affäre zum Tambourmajor einen schweren Vertrauensbruch. Gleichzeitig gerät daher Woyzecks Beziehung zu seinem Sohn Christian in Gefahr. Die beruflichen und privaten Sphären vermischen sich, was problematische Auswirkungen auf Woyzecks körperliche und psychische Verfassung hat.
Büchner nimmt durch die Charakterisierung Woyzecks Bezug auf die frühsozialistische Anschauung, in der der Arbeiter abhängig, unterdrückt und benachteiligt wird. Die gesellschaftliche Kritik des Autors richtet sich vor allem an die kapitalistischen Umstände und das ungerechte Verteilungsprinzip.
Zusammengefasste Interpretationsansätze:
- gesellschaftliche Zerstörung durch Bruch von Woyzecks Privatsphäre
- Woyzecks soziale Stellung und seine Entsozialisierung
- Woyzecks Widerstand gegen die erstarrten sozialistischen Konventionen
- Woyzeck als Paradebeispiel eines entstellten Menschen
Rezeption
„Woyzeck“ wurde 1879 erstmals veröffentlicht. Dies fällt in die literarische Epoche des Naturalismus. Obwohl das Werk viel früher geschrieben wurde, erfreut es sich zu jener Zeit sofort großer Beliebtheit, denn Wahnsinn und Außenseiter sowie die Schilderungen von grausamen Handlungen, wie Mord, waren Themen im Naturalismus.
1875, mit Beginn des Naturalismus, wurde die erste Rezeption des Werkes „Woyzeck“ durch Karl Emil Franzos angestoßen. 1925 erfährt die Rezeption ihren nächsten Höhepunkt: Alban Berg verfasst die Oper „Wozzeck“. Auch der berühmte deutsche Schriftsteller Bertolt Brecht lobt „Woyzeck“ als das beste deutsche Werk.
Bis heute gilt der Georg-Büchner-Preis als die höchste deutsche Literaturauszeichnung.
Die Entstehungszeit
Die Einordnung des Werks in eine literarische Epoche ist schwierig; manche sehen das Werk zwischen Realismus (1848–1890) und Naturalismus, andere ordnen es der literarischen Zeit des Jungen Deutschlands (1815–1835) zu. Fakt ist, dass Büchner neue Ansätze in seinem Werk wagt: Er stellt einen gesellschaftlichen Außenseiter in den Mittelpunkt, der wahnsinnige Züge trägt und sich des Mordes schuldig macht. Büchners Werk behandelt zudem frühsozialistische Ideen wie die Unterdrückung der Arbeiter und die Verführungen durch den Materialismus. Außerdem behandelt er in „Woyzeck“ zwei Probleme, denen der Mensch ausgeliefert ist. Zum einen die Entsozialisierung und zum anderen die soziale Bestimmung des Menschen. Durch die soziale Umwelt werden Menschen auf bestimmte Denk- und Verhaltensmuster festgelegt.
Die Entstehungsgeschichte
Vorbild für den Protagonisten Woyzeck ist Johann C. Woyzeck. Ein 41-jähriger gelernter Friseur und Perückenmacher ohne feste Arbeit. Er erstach 1821 in Leipzig seine Geliebte Johanna Christiane Woost (46 Jahre) und wurde dafür 1824 hingerichtet. Büchner verfolgte diesen Fall aufmerksam. Lange war unklar, ob der reale Woyzeck nicht viel eher unzurechnungsfähig gewesen sei. Büchner greift also den Fall in seinem Werk nicht nur auf, sondern attackiert auch das Gutachten, nach dem der reale Woyzeck für schuldfähig befunden wurde. Für Büchner waren die soziale Rangordnung sowie die soziale Bestimmung des Menschen verantwortlich für Woyzecks Tat.
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