„Der zerbrochene Krug“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Kleist)
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Grundlagen zum Thema „Der zerbrochene Krug“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Kleist)
Bei seiner Uraufführung kassierte „Der zerbrochene Krug“ etliche Buh-Rufe. Fast zwei Jahrzehnte später ist es das Lieblingsstück des Publikums. Das Video zeigt dir, was die damaligen Zuschauer an dem Lustspiel nicht verstanden haben und warum es dann doch unsterblich geworden ist. Außerdem wird erläutert, was die raffinierte Komik des Lustspiels ausmacht, welche Symbole Kleist verwendet und wie viel Gesellschaftskritik in „Der zerbrochene Krug“ steckt. Viel Spaß!
Transkript „Der zerbrochene Krug“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Kleist)
“Buuuh” “Langweilig und abgeschmackt” “Ein fürchterliches Lustspiel” “Das Stück geht zu sehr in die Breite und Länge”
Am zweiten März 1808 wurde Heinrich von Kleists “Der zerbrochene Krug” in Weimar uraufgeführt. Es war ein Theaterskandal. Lag es daran, dass der Regie führende Goethe den Einakter in einen Dreiakter aufgeteilt hatte, der über drei Stunden dauerte? War der Inszenierungsstil des Weimarer Hoftheaters Schuld?
Zumindest war Kleist schwer getroffen. Er warf Goethe Sabotage an seinem Stück vor und wollte sich sogar mit ihm duellieren. Dazu kam es aber nicht.Heute wird “Der zerbrochne Krug” als ein Stück von formal und thematisch höchstem und einsamen Rang in der deutschen Dichtungsgeschichte betrachtet. Doch zur damaligen Zeit hatte es ein Lustspiel nicht leicht.
Dramatische Form
Das Lustspiel” Der zerbrochene Krug” kann grundsätzlich als typisches analytisches Drama bezeichnet werden. Denn wesentliche Ereignisse, die für die Handlung eine Rolle spielen, haben sich bereits vor Beginn des Bühnengeschehens ereignet. Die Vorgeschichte wird nach und nach offenkundig. Der Handlungsort Gerichtssaal ist als Ort der Wahrheitsfindung prädestiniert für diese dramatische Form.
Komik
In Kleists Lustspiel weiß der Zuschauer bereits sehr früh, dass der Richter Adam der Täter ist. Man interessiert sich deshalb dafür, wie dieser sich verrät und wie er entlarvt wird. Als Mitwisser erfreut er sich an Adams Lügen, Täuschen und Vertuschen. Durch die kritische Distanz entsteht für den Beobachter eine Komik. Er ist überlegen in seinem Wissen und kann sich so am Ringen der Figuren amüsieren.
Durch seine Täterschaft kann Adam die Rolle des Richters eigentlich nicht einnehmen. Er fällt somit auch ständig “aus der Rolle”. Mensch Adam und Richter Adam verfolgen unterschiedliche Ziele. Einem angemessenen, würdigen Auftreten stehen seine Wunden und der Verlust der Perücke entgegen.
Als Richter muss er einen Prozess unparteiisch führen. Sein Handeln widerspricht dem jedoch. Adam unternimmt massive Einschüchterungsversuche. Seine Rolle als Richter verlangt von ihm außerdem eine unbescholtene Lebensführung und Ehrlichkeit. Er agiert jedoch triebgesteuert und schreckt vor Lügen nicht zurück. Adam urteilt nicht objektiv, sondern entscheidet willkürlich nach seinen Interessen.
Die Diskrepanz zwischen Schein und Sein erzeugt hier wesentliche Komik. Sie äußert sich in nicht standesgemäßen Flüchen und durchsichtigen Manipulationsversuchen.
Beziehungskrisen
Kleist erzählt drei verschiedene Beziehungskrisen:
- die partnerschaftliche Liebesbeziehung zwischen Ruprecht und Eve
- die Eltern-Kind-Beziehung zwischen Marthe und Eve, sowie Veit und Ruprecht
- die berufliche Beziehung zwischen Adam und Licht.
In all diesen Beziehungen kriselt es. Dadurch fallen Verdächtigungen und Schuldzuweisungen auf fruchtbaren Boden. Dieser Zustand hilft Adam enorm dabei, die Wahrheitsfindung zu verhindern.
Religiöse Anspielungen und ihre Bedeutung
Kleist hat sich im Laufe seines literarischen Wirkens immer wieder mit biblischen Stoffen beschäftigt, vor allem mit dem Sündenfall. So kann man sagen, dass Dorfrichter Adam und die Jungfer Eve die Vertreibung aus dem Paradies in ihrem kleinen Dorf nochmals erleben. Adam kann Eve nicht widerstehen. Trotz seiner Position wird er aus Eves Schlafzimmer und aus dem Gerichtssaal vertrieben.
Eve nimmt dagegen Adams verführerisches Angebot an und verliert ihre kindliche Unschuld. Sie tut es jedoch Ruprecht zuliebe.
Sprache in "Der zerbrochene Krug"
Kleist nutzt im „Zerbrochenen Krug“ eine auffällige Sprache. Die Figuren reden nicht gradlinig wie im klassischen Drama, sondern verschleiert, vieldeutig und verstellt.
Der Dialog bricht oft ab und wirkt zerrissen. Im Falle Adams dreht er sich auf der Stelle. Der Richter agiert laut Kleist nach dem Motto: Die Idee kommt beim Reden. Adam vermischt dabei volkstümliche Rede mit der Formelhaftigkeit der Justizsprache.
Kleist hält allerdings einen strengen einheitlichen Formwillen ein. Er presst diese experimentelle Mischung in den klassischen Vers der fünfhebigen Jamben, die mit Anapästen und Trochäen durchsetzt sind.
Zusammenfassung
Heinrich von Kleists Lustspiel “Der zerbrochene Krug” wurde bei seiner Uraufführung 1808 ausgebuht. Das Publikum verstand das Komische an Richter Adams Dilemma nicht. Es war gelangweilt davon, den Täter von Anfang an zu kennen. Dabei kritisierte Kleist die Korruption in der Rechtslage und die Willkür des Gerichts – ganz im Sinne der aufklärerischen Klassik.
Als Elemente der Romantik stellte er die Paarbeziehung zwischen Eve und Ruprecht dar. Diese erfährt allerdings die Tragik eines Vertrauenskonflikts. Zudem finden sich biblische Motive, wie der Sündenfall von Adam und Eva, im Lustspiel wieder. Sprachlich mischt Kleist juristisches Deutsch und volkstümliche Rede.
“Lieblingsstück des Publikums”, “originelles Lustspiel”, “herrlicher, nie ganz gewürdigter Dichter”
Am 28. September 1820 hatte der der Hamburger Theaterdirektor Friedrich Ludwig Schmidt erstmals Erfolg mit einer Aufführung von “Der zerbrochene Krug”. Heinrich von Kleist verstarb im Jahre 1811. Er konnte diesen Erfolg also nicht mehr miterleben. Dafür ist sein Stück unsterblich geworden. Es wurde mehrmals verfilmt und wird immer wieder aufgeführt.
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