Der Vorleser (Schlink)
Ist der weltberühmte Bernhard Schlink nun ein Schriftsteller oder ein Jurist? Oder beides? Wie in vielen seiner Romane werden in seinem bekanntesten Werk „Der Vorleser“ beide Themen vereint. Mit ihm landet er einen internationalen Bestseller, der sogar verfilmt wurde.
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- Entstehungsgeschichte
- Inhalt des Romans
- Personenkonstellation
- Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte
Entstehungsgeschichte
Der 1944 geborene Bernhard Schlink gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist er zudem hauptberuflich Anwalt und Verfassungsrichter. Wie man die zwei Berufe vereinen kann, zeigen eindrucksvoll seine vielen Kriminalromane, deren Protagonisten hauptsächlich Juristen sind. 1995 erscheint dann sein Bestseller und erster Nicht-Krimi „Der Vorleser“, der ihn international bekannt macht und der in 30 Sprachen übersetzt wird. In seinem vielbeachteten Roman wird anhand der Beziehung zwischen Michael Berg und Hannah Schmitz der Umgang mit den Tätern des Holocaust thematisiert. Für den Roman erhält er neben vielen anderen Preisen sogar das Bundesverdienstkreuz.
Inhalt des Romans
Der Roman besteht aus drei Teilen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Leben Michael Bergs spielen, dem Protagonisten und Ich-Erzähler des Romans. Im ersten Teil lernt der 15-jährige Michael die 21 Jahre ältere Hanna Schmitz kennen. Zwischen beiden beginnt ein ritualisiertes Liebesverhältnis, bei dem sie immer zunächst miteinander baden, miteinander schlafen und Michael Hanna vorliest. Als Michael eines Tages gemeinsam mit ein paar Klassenkameraden im Schwimmbad auf Hanna trifft, verleugnet er sie jedoch, woraufhin Hanna die Stadt verlässt und sich Michael schuldig fühlt.
6 Jahre später setzt der zweite Teil des Romans ein. Michael hat mittlerweile sein Abitur gemacht und ist nun Jurastudent. Noch immer ist er abhängig von Hanna, andere Frauen fühlen sich falsch an, er kann sich nicht binden und verhält sich anderen gegenüber überlegen. Im Rahmen seines Studiums besucht er einen Prozess gegen ehemalige Wärterinnen in Auschwitz, wo er zu seiner Überraschung Hanna Schmitz als Angeklagte wiedertrifft. Diese wird im Verlauf des Prozesses als Hauptschuldige angeklagt. Michael erkennt jedoch, dass sie die Taten nicht begangen haben kann, da Hanna Analphabetin ist. Für diese Tatsache schämt sie sich so sehr, dass sie es eher in Kauf nimmt, als Schuldige bestraft zu werden, als zuzugeben, dass sie nicht lesen kann. Michael informiert den Richter darüber nicht, weshalb er nachdenkt, inwiefern er sich dadurch schuldig macht. Hanna erhält schließlich eine lebenslange Haftstrafe.
Der dritte Teil behandelt das Leben Michaels nach dem Jurastudium. Das Ritual seiner Jugend hat er wieder aufgenommen, indem er Hanna berühmte Werke auf Kassette vorliest und ihr diese ins Gefängnis schickt. Hanna lernt im Gefängnis lesen und schreibt Michael einen Brief, auf den dieser jedoch nicht reagiert. Dennoch unterstützt er Hanna vor ihrer Entlassung, indem er sich um eine Wohnung und um Arbeit nach ihrer Entlassung kümmert. Einen Tag vor ihrer Entlassung begeht Hanna jedoch Selbstmord. Zehn Jahre später schreibt Michael seine Erlebnisse mit Hanna auf, aber von den Geschehnissen der Vergangenheit kann er sich niemals befreien.
Personenkonstellation
Im Roman wird zum einen die Entwicklung des Protagonisten Michael Berg behandelt. Er ist ehrgeizig und intelligent, weshalb er auch beruflich erfolgreich ist. Sein Charakter wird jedoch erheblich durch die Beziehung durch Hanna geprägt, weshalb er in seinen anderen Beziehungen stets distanziert bleibt und diese nicht längerfristig aufrechterhalten kann. Des Weiteren plagen ihn Schuldgefühle und offene Fragen angesichts Hannas Analphabetismus, die jedoch unbeantwortet bleiben. Außerdem fängt er durch Hannas Prozess an, an den Prinzipien des Rechts zu zweifeln. Hanna Schmitz kann in ihrer Beziehung zu Michael als liebevoll und dominant beschrieben werden. Im Prozess hingegen erscheint sie als gefühlskalte Person, die ihre Schwäche, den Analphabetismus, jedoch verbergen möchte. Im Verlauf des Romans durchläuft auch sie eine Entwicklung, indem sie im Gefängnis ihre Schuld eingesteht, lesen lernt und dadurch Verantwortung übernehmen möchte. Bei beiden Figuren handelt es sich also um Mischcharaktere, deren Charakter von positiven sowie negativen Eigenschaften geprägt ist. Verbunden sind sie durch ihre Liebe zur Literatur und ihre sexuelle Beziehung, aber beide bleiben sich bis zum Ende dennoch fremd.
Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte
Hauptthema des Romans ist die moralische und juristische Schuld und der eigene Umgang damit. Zum einen will Michael Kriegsverbrecher verhaftet sehen, zum anderen kennt er Hanna persönlich und die Gründe für ihre Taten. Ähnlich wie bei der Charakteristik der Hauptfiguren werden auch im Roman absichtlich keine eindeutigen Festschreibungen vorgenommen, wer gut oder böse ist. Es ist die Aufgabe des Lesers, selbst aktiv Antworten zu finden. „Wie hättest du gehandelt?“, „Welche ethische und moralische Auffassung hast du vom Leben?“, all das sind Fragen, die Bernhard Schlink seine Leser selbst beantworten lässt. Daneben werden zudem die Themen der Kollektivschuld, der NS-Verbrechen, des Versagens und der Verantwortungsübernahme, aber auch das tabuisierte Thema des Analphabetismus behandelt. Der Roman ist national wie international sehr populär. In zahlreichen Lehrplänen ist er fester Bestandteil. Außerdem wurde er 2008 erfolgreich mit Kate Winslet und David Kross verfilmt.
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