Soziale Frage und Sozialismus
Die soziale Frage befasste sich mit der „prekären Lage“ der Arbeiter zu Zeiten der Industrialisierung, die einem anfangs zügellosen Wirtschaftsliberalismus hilflos ausgeliefert waren. In dessen Folge etablierten sich eine Reihe neuer Ideologien und politischer Strömungen.
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- Um was dreht sich die soziale Frage?
- Kernpunkte der sozialen Frage
- Forschungsobjekt Proletariat
- Sozialismus / Kommunismus
Um was dreht sich die soziale Frage?
Eines vorneweg: Die Industrialisierung und vor allem die Probleme, die sie mit sich brachte, hängen eng mit der sozialen Frage und der Entstehung des Sozialismus zusammen.
Denn es gab zwei gegensätzliche Entwicklungen im Zuge der Industrialisierung. Auf der einen Seite war das 19. Jahrhundert das Zeitalter der Bauernbefreiung. Die Zünfte wurden abgeschafft und die Gewerbefreiheit eingeführt. Die alte feudale Ständegesellschaft wurde nach und nach durch eine bürgerliche Gesellschaft ersetzt. Dann brachte die industrielle Revolution den Menschen Wohlstand. Die Gründerjahre und all der Erfindergeist in Wissenschaft und Technik sorgten für einen enormen Entwicklungsschub und mutige Unternehmer verstanden es prächtig, daraus auch Profit zu schlagen. Fabriken schossen wie Pilze aus dem Boden und die Menschen zog es in die Städte, was man Urbanisierung nennt. Da sich die medizinische Versorgung ebenfalls verbesserte, stieg die Bevölkerungszahl rasch an. Allein in Berlin hat sich die Einwohnerzahl so binnen 100 Jahren von 200 000 auf über 2 Millionen Menschen erhöht!
Dabei entstand eine neue, sehr schnell wachsende Bevölkerungsschicht: die der Lohnarbeiter oder auch Arbeiterklasse. Und um eben deren Schicksal dreht sich die soziale Frage! Denn diese arbeitenden Klassen – und hier bist du bei der entgegengesetzten Entwicklung angelangt – bekamen nur die Schattenseiten der Industrialisierung zu spüren.
Kernpunkte der sozialen Frage
Diese neuen Lohnarbeiter, oder wie Karl Marx sie nannte, das Proletariat, arbeiteten unter teils katastrophalen Bedingungen. Zum einen erzeugte die Gewerbefreiheit einen Konkurrenzkampf, der die Löhne drückte. Zum anderen nutzten die Unternehmer das Überangebot an Arbeitskräften aus, was letztlich dazu führte, dass die meisten Arbeiter nicht viel mehr als einen Hungerlohn gezahlt bekamen. Und ihre Arbeitsbedingungen waren nicht weniger katastrophal. Es wurde schnell klar, dass in den neuen Fabriken die Maschinen das Tempo vorgaben.
Nicht die Maschine dient dem Menschen, der Mensch wurde zum Diener der Maschine!
Der durchschnittliche Arbeitstag war nicht selten 14 bis 16 Stunden lang, die Arbeitsverhältnisse waren vor allem in den Fabriken und in der rohstoffgewinnenden Industrie verheerend, Kinderarbeit absolut üblich und Arbeitsschutz nahezu unbekannt. Zudem konnten die Städte kaum genug Wohnraum für die ständig steigende Zahl an Arbeitern stellen. Slums und Elendsviertel waren die Folge. Am Ende sah sich eine ganze Bevölkerungsschicht der Massenarmut und Massenverelendung ausgesetzt. Die Zahl der Arbeits- und Obdachlosen war mehr als besorgniserregend. In Berlin lebten um 1870 bereits um die 10 000 Obdachlose, während die Gewinner des Wirtschaftsaufschwungs – der Adel und das Bürger- und Unternehmertum – auf die Arbeiter herabsahen.
Der Wirtschaftsliberalismus der Gründerzeit war zum Problem geworden. Da der Arbeiter so gut wie keine Rechte besaß, drohte gar eine neue Form von Abhängigkeit der unteren Schichten zu entstehen. Die Schere zwischen Arm und Reich ging immer weiter auseinander und das Geld zentrierte sich in den Händen Weniger. Ähnliche Tendenzen kannst du übrigens auch in unser heutigen Zeit beobachten, nur, dass das Geld meist virtuell an der Börse erzeugt wird.
Eines war jedenfalls klar: Es musste gehandelt werden! Ob von Seiten des Staates oder durch die arbeitenden Klassen selbst. Genau hier bist du bei der sozialen Frage angelangt, in deren Konsequenz unzählige neue Ideologien, politische Strömungen und sozialistische Arbeiterbewegungen entstanden.
Forschungsobjekt Proletariat
Da die neuen Industriearbeiter schnell zu einer Gruppe wurden, die viel zu groß war, als dass sie von Politik und Wirtschaft einfach ignoriert werden konnte, blieben ihre schlechten Lebensbedingungen nicht lange unbeobachtet. Auch die Wissenschaft und mit ihr eine ganze Reihe weltbekannter Philosophen, Ökonomen und Sozialforscher nahmen sich ihrer Sache an. Bedeutende neue Wissenschaftszweige entstanden, wie die von Max Weber geprägte Soziologie oder die Nationalökonomie eines Karl Marx und Friedrich Engels.
Dies bildete den Startschuss zu einer spannenden Phase der Politisierung und Demokratisierung der Bevölkerung, wobei sich die arbeitenden Klassen schnell einen internationalen Anstrich verliehen. Die erste internationale Arbeiterassoziation fand 1864 in London statt.
Proletarier aller Länder, vereinigt euch! war dabei ihr Credo und Sozialisten mit den unterschiedlichsten Konzepten versuchten die Emanzipation der Arbeiterklasse zu realisieren. Dies färbte natürlich auch auf die Politik ab und ließ mit dem Sozialismus, dem Kommunismus oder der Sozialdemokratie neue Bewegungen entstehen, die sich in ihren Ursprüngen direkt auf die Probleme des Proletariats und damit der sozialen Frage bezogen.
Sozialismus / Kommunismus
Doch was genau kannst du dir unter diesem Sozialismus vorstellen, der zur damaligen Zeit entstand? Eine einheitliche Definition des Begriffs gibt es leider nicht, dafür eine Reihe verschiedener Konzepte, die von sozialen Fragen und ökonomischen Prinzipien so ziemlich alles abdecken. Im Groben handelt es sich um eine politische Richtung, die eine Verteilung von Gütern und Produktionsmitteln bevorzugt, die nicht in privaten, sondern in gesellschaftlichen Händen ist. Das Prinzip, gesellschaftlichen Besitz dem Privatbesitz vorzuziehen, ist den meisten sozialistischen Strömungen gleich. Doch liegen sie im Detail häufig weit auseinander.
Ein konkretes, damals wie heute weltbekanntes Konzept stammt von den bereits erwähnten Nationalökonomen Marx und Engels. Sie beschrieben den Verlauf von Gesellschaften als Verlauf von Klassenkämpfen. Um eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, entwickelten sie eine Ideologie des Sozialismus, der, als Vorstufe zum Kommunismus gedacht, irgendwann in einer gänzlich klassenlosen Gesellschaft mündet. In dieser Gesellschaft arbeitet jeder im Sinne des Gemeinwohls. Die Logik war folgende: Wenn alle Produktionsmittel – also menschliche Arbeitskraft, Maschinen, Werkzeuge und Ähnliches – vergesellschaftet würden und es so keinen Privatbesitz an Produktionsmitteln mehr gäbe, würde auch der Grund für Klassenkämpfe wegfallen, da sich diese immer nur zwischen Besitzenden und denen, die eben nichts besitzen, vollziehen. Alle Güter sollten an alle Mitglieder der Gemeinschaft gerecht verteilt werden und sich nicht in den Händen Weniger zentrieren!
Ihre Theorien wurden von unzähligen Arbeitervereinen, Gewerkschaften und politischen Parteien dieser Zeit aufgegriffen. Auch die Ideen von Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität sollten den Sozialismus von nun an stets begleiten. Und auch wenn ihre revolutionären Voraussagen längst nicht alle eintrafen, waren die Analysen von Marx und Engels über die negativen Auswüchse des Kapitalismus bereits zur damaligen Zeit erschreckend präzise und haben bis heute kaum an Aktualität verloren – 150 Jahre später!
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