Der Völkermord an den Herero und Nama wurde von 1904 bis 1908 durch deutsche Kolonialtruppen in Namibia verübt. Erfahre mehr über die Hintergründe und die Anerkennung dieses Verbrechens. Interessiert? Lies weiter, um alles zu erfahren!
Im Jahr 2021 einigte sich die deutsche Bundesregierung nach jahrelangen Verhandlungen mit der Regierung von Namibia auf eine formelle Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama, der in den Jahren 1904 bis 1908 durch deutsche Truppen verübt wurde. In diesem Zusammenhang erfolgte auch eine formelle Entschuldigung bei den Nachkommen der Opfer und die Zusage von 1,1 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe an Namibia. Worum genau ging es bei diesen Verhandlungen und warum dauerte die Aufarbeitung eines jahrhundertealten Verbrechens so lange?
Wann spricht man von Völkermord?
Nach der 1948 beschlossenen und 1951 in Kraft getretenen „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords“ der Vereinten Nationen spricht man von Völkermord oder Genozid dann, wenn die Absicht besteht, eine ethnische Gruppe ganz oder in Teilen zu zerstören. Das gilt auch, wenn die Tötung nicht direkt erfolgt, sondern durch entsprechende Lebensbedingungen herbeigeführt wird. Durch diese Konvention wurde Völkermord zum internationalen Straftatbestand, unter anderem auch als Reaktion auf den Holocaust.
Wer sind die Herero und Nama?
Die Herero (eigentlich Ovaherero) sind eine ethnische Gruppe im südlichen Afrika. Heute leben etwa 120 000 Herero vor allem in Namibia sowie in Teilen von Botswana und Angola. Ursprünglich waren sie ein nomadisches Hirtenvolk. Nach ihrer Einwanderung ins heutige Namibia im 17. und 18. Jahrhundert waren sie lange Zeit in Kämpfe mit den dort ansässigen Nama verwickelt, die sie schließlich beilegen konnten. In Namibia und Südafrika leben heute noch ca. 100 000 Nama. Auch die Nama waren ursprünglich überwiegend Rinderzüchter.
Ein Rinderhirte im heutigen Namibia treibt seine Herde durch die karge Wüstenlandschaft.
Deutschland als Kolonialmacht in „Deutsch-Südwestafrika“
Im Jahr 1883 hatte der deutsche Kaufmann Franz Lüderitz in einem betrügerischen Kaufvertrag Land vom Stammesoberhaupt der Nama gekauft, für das er 1884 einen sogenannten „Schutzbrief“ des Deutschen Kaiserreichs erhielt. Damit wurde „Deutsch-Südwestafrika“ zur ersten deutschen Kolonie. Durch das relativ gemäßigte Klima entwickelte es sich zu einer der wenigen Siedlungskolonien: Bis 1914 ließen sich dort etwas 12 000 deutsche Siedler nieder, und damit deutlich mehr als in den anderen Kolonien des Deutschen Reichs.
Die neuen Kolonialherren unterdrückten die einheimische Bevölkerung und beuteten sie aus. Immer wieder kam es zu Konflikten mit den als Hirten lebenden Herero und Nama um Land- und Wasserrechte. Die indigene Bevölkerung wurde schrittweise enteignet und verarmte. Ihre Kultur galt den Siedlern als minderwertig. Bis zur Besetzung durch südafrikanische Truppen im Jahr 1915 blieb Deutschland Kolonialmacht im heutigen Namibia.
Der Genozid von 1904
Die zunehmende Unterdrückung und Entrechtung der einheimischen Bevölkerung führte schließlich im Jahr 1904 zu einem Aufstand der Herero unter Samuel Maharero. Bewaffnete Herero griffen deutsche Farmen und Siedlungen an und töteten Siedler. Wenig später schlossen sich die Nama dem Aufstand an und führten einen Guerillakrieg in den Karasbergen gegen die deutschen Besatzungstruppen.
Die örtliche Schutztruppe wurde daraufhin um 15 000 Soldaten unter dem Befehl von Generalleutnant Lothar von Trotha verstärkt. In der Schlacht am Waterberg erlitten die Herero eine Niederlage und flohen in die Omaheke-Steppe. Von Trotha erließ daraufhin einen brutalen Vernichtungsbefehl:
„Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“ ${^1}$
Die deutschen Truppen hinderten die Herero gewaltsam am Verlassen des Wüstengebiets, sodass viele von ihnen, darunter auch Frauen und Kinder, qualvoll verdursten mussten. In den folgenden Jahren wurden die Herero und Nama enteignet und in Konzentrationslagern unter katastrophalen Bedingungen interniert. Viele starben durch Zwangsarbeit oder an Unterernährung und Krankheiten. Deutsche Ärzte führten zudem grausame medizinische Experimente an den Gefangenen durch. Insgesamt wurden bis 1908 mindestens 65 000 von 80 000 Herero und etwa die Hälfte der 20 000 Nama ermordet. Noch heute leben viele ihrer Nachfahren in Reservaten und leiden unter den Folgen dieses ersten Genozids des 20. Jahrhunderts.
Der Streit um Reparationszahlungen
Namibia unterstand jahrzehntelang dem südafrikanischen Apartheidsregime und wurde erst 1990 ein souveräner Staat. Doch auch danach wurde noch lange über mögliche Wiedergutmachungszahlungen debattiert. Deutschland leistete zwar Entwicklungshilfe an Namibia, verweigerte aber die Anerkennung der kolonialen Gräueltaten als Genozid, selbst nach einer entsprechenden Klassifikation durch die Vereinten Nationen im Jahr 1985. Eine Klage der Herero gegen Deutschland vor einem amerikanischen Gericht 2002 blieb erfolglos. 2004 entschuldigte sich die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zwar formell, die Bundesregierung schloss Reparationszahlungen an die Herero jedoch weiterhin aus.
Reparationen sind Ausgleichszahlungen oder andere Formen der Wiedergutmachung, die ein Staat bzw. eine Institution an einen anderen Staat, eine Gruppe von Personen oder Einzelpersonen zahlt. Diese Zahlungen werden geleistet, um Schäden auszugleichen, die aufgrund von Kriegen, Auseinandersetzungen oder anderen unfairen Handlungen entstanden sind, zum Beispiel im Zuge des Kolonialismus. Bei Kriegsentschädigungen, bei denen der unterlegene Staat dem Siegerstaat oder den durch den Krieg geschädigten Personen oder Nationen finanzielle oder materielle Wiedergutmachung leisten muss, findet der Begriff oft Anwendung.
Das Abkommen von 2021 mit der namibischen Regierung ist ebenfalls nicht unumstritten und führt vielen Opferverbänden, die nicht an den Verhandlungen beteiligt waren, nicht weit genug. Sie kritisieren vor allem die Höhe der Zahlungen und die Tatsache, dass durch geschickte Formulierungen vermieden wurde, dass Reparationsforderungen juristisch einklagbar sind. Außerdem befürchten sie, dass die Zahlungen den Herero und Nama, die im heutigen Namibia eine Minderheit darstellen, nicht wirklich zugutekommen werden.
Völkermord an den Herero und Nama – Zusammenfassung
Die Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ bestand von 1884 bis 1915. Diese Zeit war gekennzeichnet von einer brutalen Ausbeutung der einheimischen Völker auf dem Gebiet des heutigen Namibia.
Erst im Jahr 2021 erfolgte eine offizielle Anerkennung als Genozid durch die Bundesrepublik Deutschland. Opferverbände kritisieren die Einigung als nicht weitgehend genug und fordern ein einklagbares Recht auf Reparationen.
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