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Militarismus und Nationalismus im Kaiserreich

Der Militarismus im Kaiserreich war allgegenwärtig. Das Militär genoss hohes Ansehen und prägte die Erziehung sowie die Gesellschaft stark. Interessiert? Erfahre mehr über die Rolle des Militärs und den Einfluss des Nationalismus im folgenden Text!

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Lerntext zum Thema Militarismus und Nationalismus im Kaiserreich

Rolle des Militärs in der Öffentlichkeit

Das Deutsche Kaiserreich war im Zuge von militärischen Siegen erschaffen worden. Die Reichsgründung war nicht durch Diplomatie, nicht durch die Macht des Volkes „von unten“ ermöglicht worden – in den Augen von vielen hatten Soldaten, Generäle und militärisches Geschick die lang ersehnte Einheit und damit das von Preußen geführte Kaiserreich gebracht. Das Militär spielte bereits zuvor in Preußen, nun aber auch im geeinten Deutschland, eine große Rolle und erschien durch die Siege gegen Österreich und Frankreich nun fast unbesiegbar. Die Gesellschaft war geprägt von großer Bewunderung für das Militär, gleichzeitig ordnete man sich diesem gewissenhaft unter. Der Militarismus war also eine der prägenden Strömungen im Kaiserreich. Aber wie äußerte sich dieser? Und welchen Anteil hatte der Nationalismus an dieser gesellschaftlichen Prägung? Diese Fragen beantworten wir im folgenden Text.

Das Militär galt im Deutschen Kaiserreich als die mächtigste gesellschaftliche Gruppe. Das offenbarte sich zum Beispiel darin, dass Uniformen zum alltäglichen Straßenbild gehörten und jeder, der berechtigt war, diese zu tragen, sie zu allen möglichen Anlässen präsentierte. Die Uniform verlieh automatisch Autorität und sorgte für verschiedene Privilegien. So waren die besten Plätze im Restaurant oder im Theater für Angehörige des Militärs reserviert und es gab beim Tragen einer Uniform ermäßigte Eintrittspreise und andere Vergünstigungen. Träger einer Uniform wurden auf der Straße ehrfürchtig gegrüßt, was das Ansehen des Militärs in der damaligen Gesellschaft verdeutlicht. Reserveoffiziere, die normalerweise eine bürgerliche Stellung innehatten, nutzten ihre militärischen Erfahrungen, um sich berufliche Vorteile zu verschaffen. Otto von Bismarck und andere Politiker traten in der Regel in Uniformen vor die Öffentlichkeit, auch die Kaiser des Deutschen Reiches ließen sich ausnahmslos in ihren Uniformen porträtieren. Öffentliche Auftritte nahmen sie nicht in Zivilkleidung wahr.

Kaiser Friedrich III. (1888)
Kaiser Friedrich III. im Jahre 1888

Uniformen für Kinder

Sowohl Jungen als aber auch Mädchen wurden in Matrosenanzügen und –kleidern gekleidet, was einen starken Ausdruck der Bewunderung des Militärs offenbarte. Aber warum wurden ausgerechnet diese Uniformen der Marine gewählt? Der Grund war, dass das Deutsche Kaiserreich sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr über seine Seeflotte definieren wollte und mit Großbritannien um die Vormachtstellung der Flotte wetteiferte. Die Uniformen der Kinder zeigten die Bedeutung dieser Flotte für die gesamte Gesellschaft.

Militarismus und Erziehung

Auch auf die Erziehung vor allem der Jungen hatte der Militarismus großen Einfluss. Militärische Übungen und die zugehörige Härte waren schnell Teil des Schulalltags an Jungenschulen. Zudem spielten die Kinder auch in ihrer Freizeit militärische Schlachten nach, marschierten oder hielten Paraden ab. Die militärische Prägung wurde auch durch Zinnsoldaten und andere militärische Spielzeuge geprägt. Respekt vor Autoritäten und die Unterordnung unter diese waren ein wichtiger Teil der schulischen und häuslichen Erziehung.

Paraden und Feste

Das Ansehen des Militärs war seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon bis zum Sieg über Frankreich 1870/71 und der damit verbundenen Gründung des Kaiserreichs immer mehr gestiegen. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass zum Beispiel der Tag der Kapitulation der Französischen Armee in Sedan am 2. September 1870 und damit der entscheidende militärische Sieg der gesamtdeutschen Armee zu einem zwar inoffiziellen, aber doch groß zelebrierten Feiertag des Kaiserreichs erhoben wurde. Am sogenannten Sedantag wurden alljährlich große Paraden abgehalten, die Städte wurden geschmückt. Vielerorts nutzte man dieses Datum, um Kriegerdenkmäler feierlich zu eröffnen.

Aber auch an anderen Tagen waren die militärischen Paraden, Wachwechsel oder Fahnenweihen publikumswirksame Zeremonien. Die militärischen Verbände präsentierten ihr Können und genossen die Bewunderung, die ihnen von den zahlreichen Zuschauern zuteil wurde. An kirchlichen Feiertagen oder dem Neujahrstag gab es ebenso große militärische Paraden wie am jeden Jahr deutschlandweit gefeierten Kaisergeburtstag. Hier zeigt sich, wie stark durchdrungen das Deutsche Kaiserreich von dem militärischen Einfluss war. Er bestimmte alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und war überall präsent. ​

Kaiser Wilhelm II. auf einer 5-Goldmark-Münze
Kaiser Wilhelm II. auf einer 5-Goldmark-Münze

Macht des Militärs

Wie bereits beschrieben, kam dem Militär und damit allen Männern in Uniform eine absolut übergeordnete Bedeutung in der Gesellschaft zu. Militärische Entscheidungsträger hatten einen großen Einfluss auf das politische und gesellschaftliche Leben und konnten sich somit als eine Art höchster Stand im Kaiserreich fühlen, was natürlich zu einer großen Machtfülle führte. Da sie lediglich der alleinigen Befehlsgewalt des jeweiligen Kaisers unterstellt waren, wird ihr Dasein oft als Staat im Staate beschrieben, da sie nahezu unabhängig von der Politik und doch sehr eigenständig Einfluss auf militärische, politische und gesellschaftliche Entscheidungen nahmen.

Der Ausbau der deutschen Hochseeflotte unter Wilhelm II. ist zum Beispiel eng mit den Forderungen des berühmten Admiral von Tirpitz nach höheren Militär- und Marineausgaben verbunden. Der Admiral bestimmte somit die Politik des Kaiserreichs über Jahrzehnte mit. Durch die Aufrüstung und das Wettrüsten mit England veränderte sich die politische Lage in Europa massiv, der sich daraufhin entfaltende, anhaltende Konflikt ist als ein Auslöser für den Ersten Weltkrieg zu betrachten. Die übergroße Macht des Militärs und der ebenfalls vorherrschende Nationalismus erzeugten eine Fokussierung auf militärische Angelegenheiten.

Nationalismus im Kaiserreich

Neben dem Militarismus war das Kaiserreich auch vom Nationalismus geprägt. Dieser basierte in seinen Grundzügen auf dem Nationalgefühl, das durch die Befreiungskriege erzeugt worden war, steigerte sich aber nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 in Verbindung mit dem vorherrschenden Sozialdarwinismus zu einer rechtsgerichteten, Minderheiten diskriminierenden Gesinnung. Er nahm den Status einer politischen Religion an, in der die Hingabe für das eigene Volk und die nationalen Aufgaben und Pflichten oberste Priorität besaßen. Zu diesen Aufgaben zählten häufig militärische Einsätze und ihre Umsetzung. Da besonders in den sehr konservativen, militärisch geprägten oberen Kreisen der Gesellschaft die Idee eines Obrigkeitsstaates, angeführt von einem starken Kaiser und einem noch stärkeren Militär, vertreten wurde, hatten liberale, demokratische Ideen im Deutschen Kaiserreich wenig Platz zur Entfaltung.

Nationalismus und Militarismus in Vereinen

Nationalismus und Militarismus wurden auch durch sogenannte vaterländische Vereine oftmals ehemaliger militärischer Würdenträger in die Gesellschaft getragen. Als Beispiele sind hier die Deutsche Kolonialgesellschaft oder der Deutsche Flottenverein. In beiden spielten der nationale Gedanke, durchsetzt vom Sozialdarwinismus, auf Basis von militärischer Stärke eine entscheidende Rolle. 1912 gründete sich der Deutsche Wehrverein, um die Bevölkerung vom Sinn einer verstärkten Aufrüstung zu überzeugen, und gewann schnell zahlreiche Mitglieder. Als radikal expansionistisch, nationalistisch und rassistisch offenbarte sich der Alldeutsche Verein, der 1891 gegründet wurde und schnell zum größten Verband des Deutschen Kaiserreichs anwuchs. Der Einfluss dieser Vereine auf das gesellschaftliche Leben und auf das Gedankengut der Bevölkerung ist als sehr hoch einzuschätzen.

Militarismus und Nationalismus im Kaiserreich – Zusammenfassung

  • Der Militarismus war im Deutschen Kaiserreich weit verbreitet und durchzog die gesamte Gesellschaft. Er zeigte sich durch Uniformen und Militärparaden, war fester Bestandteil der Kindeserziehung und hatte großen Einfluss auf die politische Ausrichtung des Landes.
  • Eng damit verbunden war der Nationalismus im Kaiserreich, der sich, im Zusammenhang mit dem aufkommenden Sozialdarwinismus, zu einer diskriminierenden, rechtsgerichteten und expansionistischen politischen Einstellung entwickelte.
  • Im Deutschen Kaiserreich gab es zahlreiche militärisch und nationalistisch geprägte Vereine, die einen starken Einfluss auf Politik und Gesellschaft nahmen.

Häufig gestellte Fragen zum Militarismus und Nationalismus im Kaiserreich

Was bedeutet Militarismus im historischen Kontext des Deutschen Kaiserreichs?
Welche Rolle spielte Kaiser Wilhelm II. bei der Förderung von Militarismus im Kaiserreich?
Wie manifestierte sich der Militarismus in der deutschen Gesellschaft?
Welche Oppositionsgruppen gab es gegen den Militarismus und den Nationalismus im Kaiserreich?
Welche Auswirkungen hatten der Militarismus und Nationalismus im Kaiserreich auf die spätere deutsche Geschichte?
Warum ist die Betrachtung des Militarismus und Nationalismus im Kaiserreich auch für die aktuelle Politik relevant?
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