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Nachkriegszeit – Vergangenheitsbewältigung und Vergangenheitspolitik

Die Nachkriegszeit brachte viele Herausforderungen mit sich. Deutschland musste sich mit der Schuld und den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzen. Wie ging die Gesellschaft damit um und welche Maßnahmen wurden ergriffen? Erfahre mehr im folgenden Text!

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Lerntext zum Thema Nachkriegszeit – Vergangenheitsbewältigung und Vergangenheitspolitik

Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur in Deutschland nach 1945

Am 8. Mai 1945 endete in Europa der Zweite Weltkrieg offiziell mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Der Krieg hatte laut Historikerschätzungen etwa 65 Millionen Menschen das Leben gekostet, darunter über 13 Millionen, die den Kriegsverbrechen und den ideologischen Tötungen des NS-Regimes zum Opfer fielen. Wie sollte man nach dem Krieg mit dieser großen Schuld und diesen grausamen Taten umgehen? Die deutsche Nachkriegsgesellschaft war zwangsläufig von Menschen durchsetzt, die die Taten der Nationalsozialisten nicht nur gebilligt, sondern begrüßt und vor allem auch durchgeführt hatten. Wie sollte man mit ihnen verfahren? Gab es also einen sinnstiftenden Weg, die Verbrechen, Ungerechtigkeiten und Verstrickungen der Menschen aufzuarbeiten? Diese Fragen versuchen wir nun zu beantworten.

Das Kriegsende und die Folgen

Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete für die Gebiete des ehemaligen Dritten Reichs auf vielen Ebenen Zusammenbruch, Umbruch und Wiederaufbau. Die Gesellschaft, die zunächst von den vier Besatzungsmächten – den USA, der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich – kontrolliert und regiert wurde, hatte viele Aufgaben vor sich. Das Land war zu einem großen Teil zerstört, die Wirtschaft ebenfalls. Die Siegermächte teilten das Land in Besatzungszonen, in denen jeweils die Vorgaben der Besatzer einzuhalten waren. Flucht und Vertreibung stellten die Besatzer und die verbleibende Bevölkerung vor große Aufgaben und Probleme. Die nunmehr befreiten Opfer des NS-Regimes mussten versorgt werden und verblieben oft zunächst in den Lagern, in denen sie bereits lange gelitten hatten. Gleichzeitig stellte sich die große Frage: Was sollte man mit den zahllosen Tätern im deutschen Volk tun und wie sollte man mit der deutschen NS-Gesellschaft umgehen?

Potsdamer Konferenz
Denazifizierung in den westlichen Besatzungszonen
Denazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone
Nürnberger Kriegsverbrecherprozess

Umgang mit der Vergangenheit, Aufarbeitung und Erinnerungskultur in der BRD ab 1949

Als die westdeutschen Besatzungszonen 1949 in der Bundesrepublik Deutschland aufgingen, übergaben die westlichen Alliierten auch die Durchführung der Denazifizierung an die Regierung des neuen Staats. Und auch wenn bereits zuvor wenig nach ehemaligen NS-Führern und Tätern im Volk gesucht worden war, endete nach 1949 die Denazifizierung vollständig und galt als abgeschlossen.

Gescheiterte Denazifizierung?

Es stellt sich also sicher die Frage, ob die Denazifizierung in der BRD dementsprechend wirklich beendet war oder ob man die Angelegenheit lieber hinter sich bringen wollte. Fakt ist, dass viele ehemalige Nationalsozialisten in der Bundesrepublik sehr hohe Posten bekleiden konnten und nach dem Zweiten Weltkrieg ein sehr unbeschwertes Leben führten. Das galt für führende NS-Ideologen, Richter, Verwaltungsbeamte und Ärzte. Diese Menschen arbeiteten ungehindert ihrer teilweise sehr verbrecherischen Vergangenheit in der Öffentlichkeit und wurden nicht belangt. Es verwundert dementsprechend auch nicht, dass weniger prominente Täter, zum Beispiel SS-Angehörige, die in KZs gearbeitete hatten, ebenfalls problemlos in die Gesellschaft aufgenommen wurden. Da heute bekannt ist, dass viele ehemalige Nationalsozialisten sich zudem weiterhin in ihren Gemeinschaften trafen und dabei der NS-Zeit durchaus positiv gedachten, kann von einer erfolgreichen Umerziehung also nicht wirklich die Rede sein.

Exkurs: ein Nationalsozialist im Bundeskanzleramt?

Amnestiegesetze

Dass man die Entnazifizierung in der BRD beenden wollte, zeigt auch das am 31. Dezember 1949 verabschiedete Amnestiegesetz (Amnestie bedeutet vergessen oder vergeben, es kommt aus dem Altgriechischen). Das Gesetz sollte dafür sorgen, dass alle Straftaten und Vergehen, die vor dem 15. September 1949, dem parlamentarischen Beginn der Bundesrepublik Deutschland, begangen wurden, unter bestimmten Bedingungen straffrei bleiben sollten. Nur schwere Tatbestände wie Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden nicht verjährt.
Das Gesetz wurde damit zu einem wichtigen Aspekt in der Vergangenheitspolitik der BRD, da es nun auch rechtlich legal war, dass Täter in die Gesellschaft integriert wurden, ohne eine Bestrafung befürchten zu müssen. Man legte nun den Fokus auf den Wiederaufbau des Lands, die Vergangenheit sollte vergessen werden und keine Rolle mehr im neuen Staat spielen. Dieser Schlussstrich sorgte für einige Diskussionen im In- und Ausland, Opferverbände beklagten den Umgang mit der Schuld durch die BRD vielfach.

Abkommen und Regelungen zur finanziellen Wiedergutmachung

Auch im Sinne der Verständigung mit den europäischen und außereuropäischen Nationen war es für die Bundesrepublik wichtig, gesicherte Abkommen über die Wiedergutmachung hinsichtlich der Verbrechen aus der NS-Zeit zu schließen. Auch hier stand nicht unbedingt die Reue und der Wunsch einer konkreten Aufarbeitung, sondern eher ein einfacherer, schnellerer Umgang mit den Ansprüchen der Opfer im Vordergrund. Man war auf gute Beziehungen zu den anderen westlichen Staaten angewiesen und ging in diesem Sinne in die Verhandlungen. Folgende Abkommen bildeten die Grundlage für die Entschädigungen:

  • Das Luxemburger Abkommen von 1952, geschlossen zwischen der BRD und dem Staat Israel, verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland zu Zahlungen in Höhe von 3,45 Milliarden D-Mark an den Staat Israel und jüdische Organisationen.
  • Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 befasste sich mit den Reparationszahlungen und Entschädigungen an andere Nationen. Hier wurde die Summe, die die BRD eigentlich hätte aufbringen müssen, halbiert. Dadurch wurde das sogenannte Wirtschaftswunder in der BRD ermöglicht, was im Interesse der ausländischen Partner war.

Innerhalb der Bundesrepublik regelte ab 1953 das Bundesentschädigungsgesetz die Entschädigungen für alle, die zwischen 1933 und 1945 Leid an Besitz, Körper, Vermögen, Freiheit, Eigentum oder Leben ertragen mussten.

Juristische Aufarbeitung der 1950er- und 1960er-Jahre

Erst gegen Ende der 1950er-Jahre kam wieder Bewegung in die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Sie verliefen zuvor schleppend, Täter wurden oft sehr mild bestraft und nicht selten nachträglich als Mitläufer freigesprochen. Strenge Vorgehen und eine strikte Verfolgung der juristischen Bestrafung von Tätern kamen zwar vor, waren aber abhängig von der Motivation der jeweiligen Staatsanwaltschaften, zudem wurden sie auch nicht durch den gesellschaftlichen oder politischen Willen gestützt. 1959 wurde dann in Ludwigsburg die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen für die Verfolgung von NS-Verbrechen gegründet. Nachdem es 1959 bundesweit zu Hakenkreuz-Schmierereien an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen gekommen war, waren Teile der Gesellschaft sensibilisiert worden und forderten nach und nach eine größere Aufmerksamkeit für die Verbrechen und Verbrecher aus der NS-Zeit. Der 1961 in Jerusalem abgehaltene Prozess gegen Adolf Eichmann erhielt viel öffentliche Aufmerksamkeit und lenkte den Fokus auf eine Vielzahl an Tätern, die noch unbehelligt Teil der Gesellschaft waren.

Vertiefung: der Eichmann-Prozess in Jerusalem

Der Frankfurter Auschwitz-Prozess

Fritz Bauer, der Adolf Eichmann aufgespürt hatte, strebte in der Folgezeit an, NS-Verbrecher auf deutschem Boden zu verurteilen. Ihm war dabei vor allem das Bewusstwerden innerhalb der Bevölkerung wichtig, obwohl er selbst Jude war und in der NS-Zeit im Exil gelebt hatte. Bauer hatte sich darum bemüht, Eichmann auf deutschem Boden anklagen und von einem deutschen Gericht verurteilen zu lassen, war aber am Unwillen der politischen Vorgesetzten gescheitert.
Bauer stellte ein Team aus Staatsanwälten zusammen, die sich, einem Hinweis aus der Bevölkerung folgend, auf die Spuren von Tätern innerhalb der Gesellschaft machten. Angeklagt wurden schließlich im ersten Prozess 22 Männer, die in verschiedenen Positionen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau tätig gewesen waren. Bauer orientierte sich hier am Nürnberger Prozess und ging exemplarisch vor, da er auch die erinnerungskulturelle Debatte im Blick hatte.
Es wurden etwa 250 Zeuginnen und Zeugen befragt. Auch wenn der Prozess teilweise schleppend verlief und einige Täter mit Freisprüchen davonkamen, veränderte der Prozess die Debatte um Schuld und damit auch die Erinnerungskultur in Deutschland. Er beeinflusste die Jugend und die Studentinnen und Studenten, kritisch mit der Elterngeneration umzugehen, und führte zu einer zwar nicht umfassenden, aber doch immerhin merklichen gesellschaftlichen Veränderung im Lauf der kommenden Jahrzehnte.

Erinnerungskultur in der BRD

Erst langsam begann man, auch im Zuge der juristischen Aufarbeitung die Ausmaße der Verbrechen aus der NS-Zeit zu verstehen. Es entstanden immer mehr Gedenkstätten und ein systematischer, oft aber von privaten Initiativen durchgeführter Wiederaufbau jüdischer Gedenkorte, zum Beispiel von Friedhöfen. In Schulen wurde die Thematik bis in die späten 1970er-Jahre nur am Rand besprochen, auch hier veränderten sich die Lehrpläne nur langsam. Bis 1985 gedachte man dem Kriegsende am 8. Mai immer als Tag der Niederlage, 1985 prägte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Das war, angesichts der vielen unbestraft in der Gesellschaft untergetauchten Täter, sicher nicht ganz richtig, bedeutete aber einen neuen Weg in der Erinnerungskultur.

Aufarbeitung und Umgang mit der Vergangenheit in der DDR ab 1949

Die Deutsche Demokratische Republik, ebenfalls 1949 gegründet, sah sich nicht als Rechtsnachfolger des NS-Staats, sondern als sozialistische Neuschöpfung. Man übernahm also keine Verantwortung für die im Nationalsozialismus begangenen Taten und entschädigte auch nur in sehr geringem Umfang. Da es schon rein aus sozialistischer Grundhaltung heraus laut Regierung keine Nationalsozialisten im DDR-Staat geben konnte, kam es nur sehr vereinzelt zu juristischen Aufarbeitungen und Verurteilungen.
Da die DDR israelfeindlich und auch antisemitisch geprägt war, war die Motivation zur Sühne oder Entschädigung auch sehr gering.

Erinnerungskultur und Aufarbeitung nach der Wiedervereinigung 1990 bis heute

Nach der Wiedervereinigung veränderte sich die Erinnerungskultur innerhalb Deutschlands noch einmal, indem man sie in den ostdeutschen Bundesländern etablierte. Gleichzeitig entstanden viele neue Gedenkstätten, allen voran das zentrale Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin, aber auch andere Opfergruppen des NS rückten mehr in den Fokus. Die lange nicht stattgefundene Aufarbeitung zum Beispiel der Schuld gegenüber den Sinti und Roma bekam nun mehr Aufmerksamkeit. Lehrpläne an Schulen veränderten sich grundlegend und die auch kollektive Schuld wurde mehr thematisiert. Kern der heutigen Erinnerungskultur ist vor allem die Verhinderung einer Erneuerung von NS-ähnlichen Ansichten und Strukturen, ein Nie wieder. Hier müssten allerdings auch Opfergruppen wesentlich mehr beteiligt werden, die häufig beklagen, dass es scheinbar gar nicht um ihre Trauer, sondern eher um eine Bewältigung der eigenen Schuld ginge. In der heutigen Zeit erscheint es wichtiger denn je, sich intensiv mit der Erinnerung und auch dem Fehlverhalten in der Wiedergutmachung und Denazifizierung auseinanderzusetzen, um das Nie wieder zu bekräftigen und durchzusetzen.

Holocaust-Mahnmal in Berlin
Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin

Zusammenfassung – Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur in Deutschland nach 1945

  • Nach dem Kriegsende 1945 legten die alliierten Siegermächte auf der Potsdamer Konferenz den Umgang mit dem ehemaligen NS-Deutschland fest.
  • Die sogenannten 4 Ds bildeten die Grundlage für den Umgang mit Deutschland: Denazifizierung, Demokratisierung, Demilitarisierung und Dezentralisierung.
  • Die Denazifizierung verlief allerdings schleppend und wurde in der SBZ bereits 1948, in den westlichen Zonen 1949 eingestellt und für beendet erklärt.
  • In der BRD wurden viele ehemalige NS-Funktionäre und -Politiker unbehelligt in den politischen Alltag integriert und bekleideten oft hohe Posten.
  • Eine finanzielle und juristische Wiedergutmachung erfolgte an einigen Stellen, hatte aber langwierige Prozesse zu bewältigen und verlief oft nicht zufriedenstellend für die Opfer.
  • Im Frankfurter Auschwitz-Prozess erfolgte erstmals seit Gründung der BRD ein groß angelegtes Verfahren gegen Täter, die zuvor als Mitläufer in die Gesellschaft integriert worden waren.
  • In der DDR sah man sich nicht als Nachfolger des NS-Staats, Aufarbeitung und Wiedergutmachung spielten daher nur eine extrem untergeordnete Rolle.
  • Die heutige Erinnerungskultur ist geprägt von einem wesentlich kritischeren Umgang mit der Rolle der Bevölkerung und der Annahme einer auch kollektiven Schuld.
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